Schloss Erbach ist heute in erster Linie bekannt als Sitz des Deutschen Elfenbeinmuseums, war die Stadt Erbach doch bis ins 20. Jahrhundert hinein ein weltweit führendes Zentrum der Elfenbeinschnitzerei. Die unternehmerischen Grundlagen dieses erfolgreichen „Industriezweiges“ schuf Graf Franz I. zu
Erbach-Erbach, ein im besten Sinne aufgeklärter Herrscher des 18. Jahrhunderts, der selber das…mehrSchloss Erbach ist heute in erster Linie bekannt als Sitz des Deutschen Elfenbeinmuseums, war die Stadt Erbach doch bis ins 20. Jahrhundert hinein ein weltweit führendes Zentrum der Elfenbeinschnitzerei. Die unternehmerischen Grundlagen dieses erfolgreichen „Industriezweiges“ schuf Graf Franz I. zu Erbach-Erbach, ein im besten Sinne aufgeklärter Herrscher des 18. Jahrhunderts, der selber das fürstliche Hobby der Elfenbeindrechselei betrieb. Franz sammelte auch mit Leidenschaft - nicht etwa Elfenbein, sondern Antiken, asiatisches Porzellan, Rüstungen, Waffen, ethnologische und zoologische Exponate, worunter die (nicht jagdliche!) Geweihsammlung wohl das Kurioseste ist. Mit für seine Zeit großer Sachkunde trug er zu einigen Themen enzyklopädische Kollektionen zusammen, die er in opulent ausgestatteten Katalogen dokumentierte und bearbeitete. Seit 2005 ist Schloss Erbach inklusive der erhaltenen gräflichen Sammlung in staatlichem Besitz und gehört zu den bedeutenden nationalen Kulturgütern Hessens.
„Kosmos Schloss Erbach“ ist die erste große Monografie über die Bau- und Sammlungsgeschichte dieses Kulturdenkmals, Resultat eines wissenschaftlichen Symposiums aus 2023. Die Autoren behandeln neben der erstmals systematisch bearbeiteten Baugeschichte der Burg, die bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht, auch die Geschichte des Adelsgeschlechts derer von Erbach, die ihre Abstammung (unbelegt) auf Karl den Großen gründen. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Ausnahmeerscheinung Franz I. und seiner Sammlungstätigkeit. Er dokumentierte seine Sammlung so mustergültig, dass selbst heute verlorene Objekte in einen größeren Kontext gesetzt werden können, wie einer der Beiträge im Buch zeigt. Sie war eine aufgeklärte Wunderkammer, die Franz selber qualifiziert kuratierte und dies nicht durch Angestellte erledigen ließ, wie die meisten Fürsten der Zeit. Texte, Zeichnungen, Aquarelle, später auch Fotos zeigen Ausstellungskonzepte und Nutzung, sowie die zeitgenössische Bewertung der mehr oder weniger kostbaren Stücke. Ein fast schon moderner wissenschaftlicher Zugang richtete sich nicht mehr nach dem reinen Schauwert, sondern bezog den Erkenntnisgewinn in die Auswahl mit ein: So sammelte Franz die ersten römischen Limes-Funde im Odenwald. Die renaissancezeitliche Rüstungssammlung im „Rittersaal“ war auch schon früh ein touristischer Anziehungspunkt und ist es bis heute. Die relative Vollständigkeit des ganzen Konvoluts macht es für die Forschung heute so interessant.
Die Beiträge sind anschaulich geschrieben, auch für Laien gut verständlich und hervorragend illustriert. Die geplante Sanierung des Schlosses wird sicher noch einige Überraschungen zu Tage fördern. Der jetzt vorliegende Band sammelt das derzeit vorhandene Wissen, bereitet es strukturiert und qualifiziert auf und vermittelt ein lebendiges Bild von Graf Franz und seiner Zeit, und seiner geistigen Offenheit für die „Wunder der Welt“, die er in seinem Schloss abzubilden suchte.