Giuliano muss bereits früh schwere Traumata erleiden: Seine Mutter verschwindet spurlos, in der Schule wird er gemobbt und in der ungeliebten Ausbildung, zu der er von dem empathielosen Vater und der selbstsüchtigen Stiefmutter gezwungen wird, erlebt er Missbrauch durch seinen Ausbilder. Als er
Zuflucht als Bruder Laurentius im Kloster Assisi findet, machen ihm Intrigen eines Mitbruders zu…mehrGiuliano muss bereits früh schwere Traumata erleiden: Seine Mutter verschwindet spurlos, in der Schule wird er gemobbt und in der ungeliebten Ausbildung, zu der er von dem empathielosen Vater und der selbstsüchtigen Stiefmutter gezwungen wird, erlebt er Missbrauch durch seinen Ausbilder. Als er Zuflucht als Bruder Laurentius im Kloster Assisi findet, machen ihm Intrigen eines Mitbruders zu schaffen, doch schließlich erlebt er ein Wunder: DIe Auferstehung des Heiligen Franziskus, der offenbar wirken soll, um die Welt zu retten. Laurentius Wunsch, dieses Wunder in die Welt zu tragen, bringt ihm allerdings die Zwangseinweisung in die Psychiatrie, doch er lässt nicht davon ab, seiner Berufung zu folgen....
Die süddeutsche Schriftstellerin Irene Matt legt mit "Laurentius' Wunder" bereits ihren sechsten Roman vor, der tief unter die Haut geht und dem man anmerkt, dass Matt weiß, worüber sie schreibt.
Auf keinen Fall sollte man sich von dem Titelbild des Mönches, der Nennung des Klosterlebens und des Kernthemas eines Wunders von der Lektüre abhalten lassen - dieses Buch ist auch bzw. gerade für Nicht-Gläubige geeignet und es ist alles andere als ein kitschiger Roman über großartige, die Welt verändernde Wunder oder gar die Selig- und Heiligsprechungen der Kirche in dieses Fällen.
Die Autorin nimmt ihre Leser*Innen mit nach Italien; in die Stadt Assisi, das Franziskanerkloster, nach Rom, in den Vatikan und hinaus in die Welt, ja. sogar in die Psychiatrie - und bereits das Setting hat eine gewisse Rolle inne.
Der flüssige Schreibstil, die tiefen Emotionen und der angenehme Spannungsbogen zogen mich in ihren Bann, zusammen mit der Frage, ob die Erscheinung des Heiligen Franziskus' in der Basilika nun einfach nur "Laurentius' persönliches Wunder" ist oder tatsächlich ein objektives Wunder sein könnte. Im eigentlich offenen Ende löst die Autorin jedoch das zentrale Rätsel auf und lässt keine Fragen zurück.
Für mich überraschend war die Tatsache, dass Laurentius ein Wunder verspürte, das aber gerade von seinen Mitbrüdern abgetan wurde und diese ihn schließlich zwangseinweisen ließen, denn Wunder finden sich doch gerade im Zusammenhang mit christlichem Leben. DIeses Spannungsfeld vergrößerte sich sogar noch in den Schilderungen, wie eine Abteilung von Kirchendienern in Rom damit beschöftigt ist, angebliche Wunder zu überprüfen und dabei stets zu der Erkenntnis kommt, dass Wichtigtuerei oder ähnliches die Menschen dazu animiert, solche zu erfinden und damit auch Laurentius klar in diese Ecke positioniert.
Bemerkenswert ist dabei, wie viele gesellschaftliche Themen Irene Matt in die Handlung einbringt, die berühren und nachdenklich stimmen, ohne den Roman zu überladen; von der Zerstörung der Umwelt bis hin zur Corona-Pandemie finden sich zahlreiche Angelegenheiten. Die Handlung ist absolut glaubhaft und wirkt umso eindringlicher. Dabei gefielen mir besonders die Eindrücke aus der Psychiatrie mit einem Wechselbad an Gefühlen. Die Schilderung von psychisch auffälligen Patienten, mitfühlenden Psychologinnen und medikamentenhörigen unempathischen Ärzten sind wohl eher Tatsache als billige Klischees.
Vor allem besticht dieser Roman aber durch die großartige und feine Ausarbeitung der Figur des Giulianos/Laurentius, die psychologisch absolut stimmig ist. Dieser doch eher Anti-Held voller Zweifel, Ängste und Fehler, geprägt durch sein Umfeld und seine meist negativen Erfahrungen, bleibt zutiefst menschlich und entwickelt sich im Laufe der Handlung, ohne jedoch seinen Glauben aufzugeben. Gerade diese Positivität, die Hoffnung und die innere Stärke sowie sein Mut haben mich sehr beeindruckt, wenngleich mich seine seine nahezu an Bessenheit heranreichende Sturheit davon abgehalten haben, ihn wirklich zu mögen.
"Laurentius Wunder" ist wieder ein Roman von Irene Matt, der fesselt und noch lange nachhallt, absolut empfehlenswert für alle Leser*Innen, die abseits des Mainstreams an tiefsinniger Unterhaltung Spaß haben, die zum Nachdenken und Diskutieren anregt.