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Produktdetails
  • Verlag: Bertelsmann Lexikon Verlag
  • Seitenzahl: 239
  • Abmessung: 200mm
  • Gewicht: 497g
  • ISBN-13: 9783577135108
  • ISBN-10: 3577135107
  • Artikelnr.: 11280230
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.02.2000

Frankfurt schreibt man mit einem F, meine Herren
Und Düsseldorf mit einem D: Ein Lexikon der Kennzeichen verkürzt lange Autofahrten

Zu den erstaunlichsten Hervorbringungen bundesdeutscher Kultur gehört die Weise, wie die Deutschen ihre liebsten Kinder, ihre Kraftfahrzeuge, kennzeichnen. Kaum ein anderes Land hat in dieser Disziplin eine solche Harmonie von bürokratischer Stringenz und geradezu poetischer Gestaltungskunst hervorgebracht, ein Gesamtkunstwerk, das den durchreisenden Ausländer vor ein Rätsel stellt und dem Eingeborenen das trügerische Gefühl des Begriffenhabens vermittelt. In einer Gesprächsrunde von fünf Journalisten aus sechs Ländern dürfte es jedenfalls kein ergiebigeres Gesprächsthema geben als die Frage: "Wie gestaltet ihr eigentlich eure Autokennzeichen?"

Bekanntermaßen wird der Ort, an dem ein Fahrzeug zugelassen ist, durch ein bis drei sinnreiche Buchstaben dargestellt, was es jedem Außenstehenden erlaubt, sofort die Herkunft eines Autos auf den Landkreis genau zu bestimmen. Das ermöglicht kurzweilige Konversation auf langen Strecken mit andernfalls gelangweilten Beifahrern. Das Interesse an diesem Thema ist immerhin so groß, dass der ADAC für seine Mitglieder nach der Wende im gesamtdeutschen Zulassungswesen Listen mit allen verwendeten Buchstabenkombinationen drucken ließ. Doch diese Listen verrieten weder, wo die zu den Buchstaben gehörenden Orte liegen, noch, was diese Orte auszeichnet. Jetzt hat Bertelsmann ein handschuhfachgerechtes Nachschlagewerk herausgebracht, das uns auf Reisen einen groben Eindruck von dem vermittelt, was sich hinter den Kennzeichen anderer Verkehrsteilnehmer verbirgt.

Mit diesem Kompendium wird einem der Unterschied zwischen SGH (Sangerhausen) und SHG (Schaumburg) erst richtig bewusst. Der Landkreis in Sachsen-Anhalt mit den Orten Sangerhausen und Stolberg beherbergt das einzige komplett erhaltene Mammutskelett und wählt seit 1991 eine Rosenkönigin, während in dem niedersächsischen Kreis mit den Orten Rinteln und Stadthagen im Jahre 1832 Wilhelm Busch das Licht der Welt erblickte. Eine Übersichtskarte mit den Umrissen der sechzehn Bundesländer deutet die ungefähre Lage der Landkreise an.

Zum Kreis Aachen (AC) gehören die Orte Monschau und Eschweiler, Stolberg wird nicht erwähnt, vielleicht, weil sonst Verwechslungsgefahr mit Sangerhausen bestünde. In Aachen begrüßen sich die Menschen mit dem ausgestreckten kleinen Finger, weil das an die Zeiten der Nadelindustrie erinnert, als unbrauchbare Nadeln in der Endkontrolle mit dem kleinen Finger aussortiert wurden. Das Lexikon weiß auch über Karl den Großen, die Aachener Printen, die - ursprünglich aus dem belgischen Dinant eingeführt - seit der Kontinentalsperre Napoleons traditionell mit minderwertigen Zutaten (Rübenzucker und -sirup) hergestellt werden, und über den Karlspreis zu berichten. Als Kuriosum wird ein mittelalterliches Ungeheuer mit schuppigem Fell und scharfen Zähnen, im Volksmund Bahkauv (Bachkalb) genannt, erwähnt, das sich den Zechern auf dem Heimweg um so schwerer auf die Schultern legte, je mehr sie beteten. Fluchten sie jedoch, fiel das Gehen deutlich leichter.

Frankfurt (F) ist das Wirtschaftszentrum Deutschlands, hier residieren die meisten Banken. Der Wettstreit um das höchste Haus Europas findet fast ausschließlich in Frankfurt statt. Die 300 Meter hohe Zentrale der Commerzbank erhielt denn auch die höchste Abbildung im ganzen Buch. In der Mainmetropole wurde Johann Wolfgang von Goethe geboren, der 1773 das Drama "Götz von Berlichingen" vollendete. Anlässlich der Frankfurter Buchmesse wird jährlich der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Während der Buchmesse wartet die Branche auf die Bekanntgabe des Literaturnobelpreisträgers. Ja, wird der denn neuerdings in Frankfurt bekannt gegeben?

Zu Düsseldorf (D) verweisen die Autoren auf die Kunstakademie von 1773, auf die sechstausend Japaner, die hier leben und sogar über eine eigene Tempelanlage verfügen, auf die Altstadt mit mehr als zweihundertfünfzig Kneipen und Brauhäusern, auf Heinrich Heine (1797 bis 1856), auf das "Kom(m)ödchen", das Harald Schmidt hervorbrachte, und auf Gustaf Gründgens, der am Düsseldorfer Schauspielhaus Goethes "Faust" (nicht den "Götz von Berlichingen") inszenierte. Vor allem aber gehört diese wundersame Stadt zu den wenigen, denen die Verfasser eine Quizfrage widmen: "Wie heißt der bekannte Einkaufsboulevard Düsseldorfs, der an der einen Seite von einem mit Kastanien und Platanen besäumten Wassergraben eingerahmt wird?"

Inzwischen sind Kennzeichen, an die man sich gerade erst gewöhnt hat, schon wieder im Verschwinden begriffen. Zeitz mit dem einprägsamen Kürzel ZZ ist nicht mehr im Hauptteil des Handbuchs zu finden, man muss im Anhang über auslaufende Kennzeichen nachschlagen, wo man erfährt, dass das ZZ dem BLK (Burgenlandkreis) weicht. Im Burgenlandkreis ist Zeitz völlig in Vergessenheit geraten, die nennenswerten Orte heißen Naumburg, Nebra und Wiehe. Besser erging es da der Stadt Lüdenscheid (LÜD), die sich jetzt im Märkischen Kreis (MK) wieder findet. Die Autoren waren sogar so freundlich, Lüdenscheid auch noch unter den Orten des Hochsauerlandkreises (HSK) zu erwähnen. Die Kennungen X, Y (Bundeswehr) oder BP (Post) tauchen überhaupt nicht mehr auf, ebenso die Buchstabenkombinationen für Fahrzeuge der Landesregierungen.

Angesichts der zahlreichen Staatsneugründungen in den letzten Jahren ist die Liste der internationalen Autokennzeichen von Interesse. So mussten süddeutsche Separatisten ihr Lieblingskennzeichen an Weißrussland (BY) abtreten. Flämischen Separatisten wurde ihr "VL" noch nicht streitig gemacht, von den Autoren wird es allerdings auch nicht erwähnt.

Das Lexikon der Autokennzeichen ist kein Reiseführer, manche Informationen hätte man besser recherchieren können, auch der Begriff Lexikon ist überzogen. Aber für den Beifahrer, der nur eine knappe Information sucht, erfüllt es seinen Zweck voll und ganz. Düsseldorf heißt ja auch Düsseldorf und ist kein Dorf.

HARTMUT HÄNSEL

"Lexikon der Autokennzeichen". Der unterhaltsame und informative Begleiter für unterwegs. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh 1999. 255 S., Abb., br., 18,- DM.

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