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Aus dem Inhalt: Der Hoch- und Untergrundbahnhof Nollendorfplatz Berliner Nahverkehrsarchitektur der ersten Hälfte der Zwanziger Jahre Der Sädtebauliche Aspekt Die U-Bahnlinie 8 und ihre in den Zwanziger Jahren entstandenen Bahnhofsbauten Resümee Anhang

Produktbeschreibung
Aus dem Inhalt:
Der Hoch- und Untergrundbahnhof Nollendorfplatz
Berliner Nahverkehrsarchitektur der ersten Hälfte der Zwanziger Jahre
Der Sädtebauliche Aspekt
Die U-Bahnlinie 8 und ihre in den Zwanziger Jahren entstandenen Bahnhofsbauten
Resümee
Anhang
Autorenporträt
Christoph Brachmann, geb. 1963, studierte Kunstgeschichte in Bamberg und Berlin. 1994 Promotion mit einer Arbeit über die Rezeption französischer, gotischer Architektur in der freien Reichsstadt Metz im 13. Jahrhundert, seit 1994 Wissenschaftlicher Assistent am Fachgebiet Kunstgeschichte der Technischen Universität Berlin. Forschungen und Publikationen zur Kunst- und Architekturgeschichte des Mittelalters sowie zur Architektur der Moderne.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2004

Verkehrsbetriebe, stoppt den Raubbau!
Kleinod der Moderne: Christoph Brachmann schaut in die Kachelwelt der Berliner U-Bahnhöfe

Mit dem Berliner U-Bahn-Bauprogramm der zwanziger Jahre eroberte die Klassische Moderne den Untergrund. Hatten noch die Hochbahnbauten vor dem Ersten Weltkrieg zuweilen in wilhelminischer Ornamentlust geschwelgt, so prägte gediegene Sachlichkeit die neuen Stationen. "Die Bahnhöfe sind technisch und zweckmäßig wie moderne Spitäler, mit einfachen Eisenstützen, blank gekachelten Wänden, schmuckloser Beschriftung und allen möglichen Lichtsignalen. Eine gute Organisation, praktisch und völlig hygienisch." So charakterisierte Siegfried Kracauer in der "Frankfurter Zeitung" die Bauten der Strecke Neukölln-Gesundbrunnen, der heutigen U-Bahn-Linie 8, kurz nach ihrer Eröffnung im Jahr 1930. Mit Rührung gewahrte er die letzten, stark reduzierten Anklänge an den Historismus der Vorkriegszeit: "Manchmal ist die Eisenkonstruktion mit Säulenschäften umkleidet, die wahrhaftig ein Kapitäl auf dem Kopf haben; schöne runde Säulen, die man beinahe lieben muß, weil sie ein Anachronismus sind, ein Gruß aus einer anderen Oberwelt."

Die Oberwelt der neuen U-Bahn war so prosaisch wie ihre Klientel, denn die Linie führte "aus Proletariervierteln in Proletarierviertel, von Fabriken zu Fabriken". Lauter "müde Gesichter" sah Kracauer in den Zügen und vernahm dort "nicht das mindeste Konfektionsgeschnatter". Über diese Tristesse konnte auch die neuartige Farbigkeit der Stationen nicht hinwegtäuschen: "Der Bahnhof Rosenthaler Straße sucht sogar durch seine rosig angehauchten Wandplatten die Illusion zu erwecken, als ob diese Gegend ein Rosental sei."

Was Kracauer nur eine sarkastische Nebenbemerkung wert war, stieß in einer keramischen Fachzeitschrift der Zeit auf Begeisterung: "Die keramische Ausgestaltung der Haltestellen ist sehr fein durchgeführt, und es sollte kein Keramiker versäumen, diese Strecke zu besichtigen. In den Farbabstufungen sind von Haltestelle zu Haltestelle Überraschungen schönster Art zu verzeichnen. Die Sauberkeit der Arbeit und Sorgfältigkeit der Ausführung ist zu loben, man hat das Gefühl, sich in wirklich guter Gesellschaft zu befinden." Damit waren gewiß nicht die Fahrgäste gemeint, sondern das ästhetische Programm der Stationen: "Jede billige Scheindekoration ist vermieden, es entwickelt sich alles selbstverständlich aus den Konstruktionselementen. Die Ausgestaltung der Haltestellen ist einfach, dabei spricht aber geläutertes Empfinden in der ganzen Anlage mit."

Diesen diskreten Charme, für den bis heute nur die wenigsten einen Blick haben, möchte Christoph Brachmann in seinem Buch über die Berliner U-Bahnhöfe der klassischen Moderne dem breiteren Publikum nahebringen. Sein besonderes Augenmerk gilt den wichtigsten Gestaltungsmitteln in den Stationen der heutigen U 8: Licht und Farbe. Anhand historischer Aufnahmen führt er vor Augen, mit welcher Raffinesse die Beleuchtung als rauminszenierendes Element eingesetzt wurde, sei es, um Dynamik zu erzeugen, den schlichten Bauformen mehr Plastizität zu verleihen, oder auch - wie zum Beispiel im Falle der grandiosen Lichtkapitelle in den niedrigen Zwischenebenen am Alexanderplatz - dem Eindruck drückender Schwere entgegenzuwirken.

Bei der ursprünglich stark gedämpften Beleuchtung kamen auch die Qualitäten der keramischen Wandverkleidung besser zur Geltung als im heutigen, grellen Neonlicht. Die für jede Station individuell gewählten Fliesen boten ein nuancenreiches Spiel aus subtilen Farbklängen, Licht und Schatten. Besonders lebendig wirkten die unregelmäßigen, transparenten Glasuren mit durchscheinendem Ton der Trägerplatte. Keine Fliese glich einer anderen. Brachmann untersucht die Keramik der U-Bahn-Stationen als Reflex des farbigen Bauens der zwanziger Jahre, beschreibt die Herstellungsprozesse und ermittelt sogar die Firmen, die das Material für die einzelnen Bahnhöfe geliefert haben.

Die eingehende Analyse der Gestaltungsmittel Licht und Farbe ist eingebettet in ein breites Panorama kenntnisreicher Studien zu verschiedensten Aspekten des Berliner U-Bahn-Baus der ersten Jahrhunderthälfte. In einem Einführungskapitel entfaltet Brachmann am Beispiel des in mehreren Phasen errichteten Hoch- und Untergrundbahnhofs Nollendorfplatz die Frühgeschichte des elektrifizierten Nahverkehrs in Berlin. Darauf folgen Abschnitte zu den politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen der zwanziger Jahre, zum Werdegang Alfred Grenanders, des heute weitgehend vergessenen Architekten der meisten Berliner U-Bahnhöfe dieser Zeit, zum sozialreformerisch motivierten Engagement des Verkehrsdezernenten und späteren Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter für den Ausbau des Nahverkehrsnetzes und schließlich zu den städtebaulichen Folgen des U-Bahn-Baus, der auch oberirdisch einen gewaltigen Modernisierungsschub auslöste. Selbst zu den unscheinbarsten Details der U-Bahnhöfe wie Passimetern, Abfertigungshäuschen, Kiosken, Bänken, Zugzielanzeigern, Wegweisern, Werbetafeln und Litfaßsäulen, ja sogar den auf den Bahnsteigen aufgestellten öffentlichen Waagen präsentiert Brachmann akribische Untersuchungen.

Leider ist dieses anschaulich geschriebene und vorzüglich illustrierte Buch eine Art Nachruf auf die Berliner U-Bahnhöfe in ihrer klassisch-modernen Gestalt. Nur durch einen historischen Zufall hatten sich die Bauten der U 8 bis in die neunziger Jahre fast unverändert erhalten: Nach dem Mauerbau wurden die Ost-Berliner Stationen zwischen Moritzplatz und Voltastraße zu Geisterbahnhöfen, die die Züge ohne Halt passierten, während die Anlagen in West-Berlin ein konservierendes Schattendasein fristeten. Mit der Wiedervereinigung setzte aber ein Erneuerungsdruck ein, dem nicht nur die meisten originalen Einbauten, sondern auch ein Großteil der unersetzbaren Fliesen zum Opfer fiel. Mit Verbitterung dokumentiert Brachmann die Verluste der letzten Jahre. Vielleicht kann sein Buch den Berliner Verkehrsbetrieben die Augen für den ihnen anvertrauten Schatz öffnen und auf diese Weise weiteren Raubbau verhüten.

ARNOLD BARTETZKY.

Christoph Brachmann: "Licht und Farbe im Berliner Untergrund". U-Bahnhöfe der klassischen Moderne. Gebr. Mann Verlag, Berlin 2003. 292 S., 250 Farb- und S/W-Abb., geb., 88,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das besondere Augenmerk dieses Buches gilt, berichtet Arnold Bartetzky, den wichtigsten Gestaltungsmitteln in den U-Bahnhöfen der heutigen U 8 in Berlin: Licht und Farbe. Ihren "diskreten Charme" also will Christoph Brachmann dem Leser vor allem nahe bringen. Anhand historischer Aufnahmen führe er so vor Augen, mit welcher Raffinesse die Beleuchtung als "rauminszenierendes Element" eingesetzt wurde, denn bei der ursprünglich stark gedämpften Beleuchtung kamen auch die Qualitäten der keramischen Wandverkleidung besser zur Geltung als im heutigen, grellen Neonlicht. Die "eingehende Analyse" der Gestaltungsmittel Licht und Farbe ist zudem aber, lobt der Rezensent, eingebettet in "ein breites Panorama kenntnisreicher Studien" zu verschiedensten Aspekten des Berliner U-Bahn-Baus der ersten Jahrhunderthälfte sowie zu den "politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen der zwanziger Jahre".

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