Dies ist eine wahnwitzige Geschichte, die nichts auslässt: Mord, Terror, Tränen, breite Schlagzeilen und den allgemeinen Ausnahmezustand. Sie beginnt damit, dass beim Lokalderby von Arsenal gegen Chelsea plötzlich in einer grauschwarzen Wolke das Tor davonfliegt, samt der Heimtribüne dahinter. Und sie endet mit einem Abgesang auf die Werte der westlichen Zivilisation, wie wir sie zu schätzen glauben. Mitten im Gewühl: die Erzählerin, eine der wahrhaftigsten Heldinnen der jüngeren Literaturgeschichte, eine heilige Johanna mit Schandmaul und goldenem Herzen. Und einem politischen Sachverstand, der in diesem Herzen gewachsen ist. Dieses Buch ist ein Geniestreich: böse, skandalös ganz wie die Verhältnisse, die es aufs Korn nimmt. Und, nach den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn im Juli 2005, von Furcht erregender Aktualität.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Chris Cleaves Roman über ein Attentat in London erschien im englischen Original am 7. Juli 2005, genau an jenem Tag, als tatsächlich vier Bomben die britische Hauptstadt erschütterten. Eine makabre Koinzidenz, die Angela Schader in ihrer Besprechung dieses Buchs natürlich nicht unerwähnt lassen kann. Der Roman ist als Brief an den Terror-Chef Osama bin Laden verfasst, und zwar aus der Perspektive einer jungen Frau aus der Arbeiterklasse, die bei dem (fiktiven) Attentat Mann und Kind verloren hat. Doch, baut Schader falschen Erwartungen vor, Cleave beschäftigt sich nicht wirklich mit al Qaida, dafür fehle ihm wohl auch das Rüstzeug, wie Schader spitz bemerkt, der nicht entgangen ist, dass Cleave Iraner für Araber hält. Der Entwicklung der Geschichte möchte Schader nicht vorgreifen, weswegen sie nur verrät, dass der Plot die klassisch britischen Probleme der Klassengesellschaft behandelt. Mit "Brio und Biss" geschrieben sei das Buch, spannend auch, aber leider von einer Moral getragen, die Schader ein wenig befremdet hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
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