Das Enfant terrible der russischen Literatur Eduard Limonow war spätestens seit der Gründung der Nationalbolschewistischen Partei eine der umstrittensten und widersprüchlichsten Figuren Russlands. Sein abenteuerliches Leben führte er mit schwindelerregender Intensität. Er hatte Sex mit unzähligen Männern und Frauen, verführte Minderjährige, wurde Familienvater, lebte als hungerleidender und partyfeiernder Dandy in den USA und in Paris, gründete eine Partei, kämpfte als Freiwilliger in diversen Kriegen, tötete und saß im Gefängnis. Seine politische Wandlung vollzog sich von extrem links nach extrem rechts - bis hin zur Auflösung dieser Begriffe. Carrère erzählt in dieser alle Genres sprengenden Romanbiografie, die die Leserin von der ersten Seite an in gefesselte Aufmerksamkeit versetzt, die schillernde Geschichte dieses Autors, der wie im Brennglas die Widersprüchlichkeit Russlands repräsentiert. Carrère rekonstruiert ein Leben, das fasziniert und abstößt - und skizziert wie nebenbei seine eigene Annäherung an das heutige Russland.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Eine gewisse Faszinations kann Jörg Aufenanger dem russischen Irrlicht Eduard Limonow nicht absprechen, diesem russischen Underdog, der sich erst in Paris als Dandy und Provokateur inszenierte, dann in Sarajewo zu den serbischen Tschetniks stieß und in Moskau, die nationalbolschewistische Partei gründete. Solange es Emmanuel Carrère bei der Schilderung dieses wahnsinnigen Lebens belässt, hält er den Rezensenten bei der Stange. Doch wenn sich Carrère selbst neben Limonow rückt, verscherzt er sich Aufenangers Sympathie, der dann nur noch ein "verwöhntes, gelangweiltes" Bürgersöhnchen aus Paris sieht, das sich ins Scheinwerferlicht rückt. "Eitel und flau", findet Aufenanger das.
© Perlentaucher Medien GmbH
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