Karl-Heinz Göttert demonstriert mit einer Fülle von historischem Material: Menschen sprachen und sprechen mit ihren Körpern, zu allen Zeiten, in allen Formen politischer und gesellschaftlicher Verfassung.
Menschen marschieren, paradieren und demonstrieren für ihren Glauben, ihre Meinungen, Haltungen und Wünsche - mit und ohne Erfolg. In Mengen, als Scharen und in Prozessionen finden sie sich zusammen, ihre Körper formieren sie zu einem einzigen, dem Körper der Masse.
Karl-Heinz Göttert mustert die Geschichte der Menschenzüge, von den »heiligen Straßen« des Altertums über die Triumphzüge des alten Rom, von der Übernahme der antiken Prozessionsformen durch das Christentum zu den karnevalesken Ausformungen ab dem Mittelalter. Die Französische Revolution agierte sich nicht zuletzt in ihren Festen und Festzügen auf Straßen, Alleen und Feldern aus - ein reicher Fundus an Formen, auf die die Arbeiterrevolutionen zwischen den Jahrhunderten ebenso wie eine neue Formrepublikanischer Willensbildung auf der Straße zurückgriffen.
Er schöpft aus einer langen Tradition der Theoriebildung zur »Masse«: Gustave le Bon hat sie 1895 in seiner Psychologie der Masse in einer Weise analysiert, von der Karl-Heinz Göttert sich löst: Primitiv, leichtgläubig und einer Führungspersönlichkeit erlegen ist sie beim Blick durch die Geschichte der Menschenzüge eben nicht. Mit Elias Canetti entdeckte das Denken über die Menge den Faktor der Macht, mit Pierre Bourdieu und Émile Durkheim die »magische« und »religiöse« Grundierung. Erst Judith Butler setzte auf die Artikulation von Rechten durch pure Anwesenheit. Karl-Heinz Göttert führt das in einer Parallelisierung zur Rhetorik weiter: Wie Redner mit vielen Worten ihre Meinung vertreten, tun dies Massen mit ihren vielen Beinen - körperliches neben stimmlichem »Sprechen« eben.
In drei Partien führt er durch ein anschauungsreiches Kompendium der menschlichen Bewegung als Ausdrucksform: Von »Aufbrüchen« in der Antike über die »Sakralgemeinschaft« von Mittelalter und Neuzeit bis zu den Prozessen der »Nationenbildung« in der Moderne sichtet er nichts weniger als einen Hauptaspekt der Kulturgeschichte. Massen in Bewegung ist die erste Gesamtdarstellung eines sonst nur in seinen Einzelfällen von Spezialisten erforschten Bereichs.
Menschen marschieren, paradieren und demonstrieren für ihren Glauben, ihre Meinungen, Haltungen und Wünsche - mit und ohne Erfolg. In Mengen, als Scharen und in Prozessionen finden sie sich zusammen, ihre Körper formieren sie zu einem einzigen, dem Körper der Masse.
Karl-Heinz Göttert mustert die Geschichte der Menschenzüge, von den »heiligen Straßen« des Altertums über die Triumphzüge des alten Rom, von der Übernahme der antiken Prozessionsformen durch das Christentum zu den karnevalesken Ausformungen ab dem Mittelalter. Die Französische Revolution agierte sich nicht zuletzt in ihren Festen und Festzügen auf Straßen, Alleen und Feldern aus - ein reicher Fundus an Formen, auf die die Arbeiterrevolutionen zwischen den Jahrhunderten ebenso wie eine neue Formrepublikanischer Willensbildung auf der Straße zurückgriffen.
Er schöpft aus einer langen Tradition der Theoriebildung zur »Masse«: Gustave le Bon hat sie 1895 in seiner Psychologie der Masse in einer Weise analysiert, von der Karl-Heinz Göttert sich löst: Primitiv, leichtgläubig und einer Führungspersönlichkeit erlegen ist sie beim Blick durch die Geschichte der Menschenzüge eben nicht. Mit Elias Canetti entdeckte das Denken über die Menge den Faktor der Macht, mit Pierre Bourdieu und Émile Durkheim die »magische« und »religiöse« Grundierung. Erst Judith Butler setzte auf die Artikulation von Rechten durch pure Anwesenheit. Karl-Heinz Göttert führt das in einer Parallelisierung zur Rhetorik weiter: Wie Redner mit vielen Worten ihre Meinung vertreten, tun dies Massen mit ihren vielen Beinen - körperliches neben stimmlichem »Sprechen« eben.
In drei Partien führt er durch ein anschauungsreiches Kompendium der menschlichen Bewegung als Ausdrucksform: Von »Aufbrüchen« in der Antike über die »Sakralgemeinschaft« von Mittelalter und Neuzeit bis zu den Prozessen der »Nationenbildung« in der Moderne sichtet er nichts weniger als einen Hauptaspekt der Kulturgeschichte. Massen in Bewegung ist die erste Gesamtdarstellung eines sonst nur in seinen Einzelfällen von Spezialisten erforschten Bereichs.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensent Harry Nutt lernt mit diesem Buch des Germanisten Karl-Heinz Göttert, dass das "Gehen in Gemeinschaft" einen sehr wichtigen Aspekt der menschlichen Kulturgeschichte darstellt. An polarisierenden Thesen ist der Autor nicht interessiert, so der Kritiker, sondern erscheint hier vielmehr als "akribischer Sammler" historischen Materials, der das Phänomen der Bewegung in Massen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Prozessionen hatten über die Jahrhunderte immer eine wichtige Funktion, im antiken Griechenland dienten sie der kultischen Verehrung von Gottheiten, aber auch der Repräsentation der Polis, im Mittelalter entdeckten die Herrschenden kirchliche Märsche als Möglichkeit zur Demonstration ihrer eigenen Macht, weiß der Rezensent nun. Götterts Kulturgeschichte reicht bis in die Gegenwart, wo sich die Prozession zur Demonstration entwickelt. Dem Kritiker beschert dieser Band "anhaltendes Lesevergnügen", er hätte sich lediglich eine Erweiterung der weitgehend auf Europa konzentrierten Untersuchung auf die Globalgeschichte gewünscht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Es beschert ein anhaltendes Lesevergnügen, wie Göttert die Geschichte der Griechen, Römer und Christen unter seinem besonderen Blick für Massen in Bewegung neu sortiert.« Berliner Zeitung 20230425








