»Es tut mir leid.« Das sind die Worte, die Jamaica Kincaid wieder und wieder hört, nachdem ihr jüngerer Bruder Devon 1996 an Aids gestorben ist. Sie erzählt von seinem Tod, nur um diese Worte zu hören. Dabei kannte sie ihn kaum. Erst drei Jahre alt war Devon, als Kincaid ihre Heimat Antigua verließ, um sich in den USA ein neues Leben aufzubauen. Zwanzig Jahre ist das her. Als sie erfährt, dass ihr Bruder schwer krank ist, reist sie zurück, zu ihm, nach Antigua, in die eigene Vergangenheit, in ein Leben voller Hoffnungslosigkeit und Armut - und stellt sich ihren Dämonen, den Verstrickungen ihrer Familie, der zerstörerischen Beziehung zu ihrer Mutter, für die Kincaid all die Jahre nur Abneigung empfinden konnte. Voller Zorn ist sie zwanzig Jahre zuvor auf und davon, wollte alles hinter sich lassen. Aber kann man das je? Nun findet sie allmählich ihren Frieden, kann Gegenwart und Vergangenheit miteinander aussöhnen.»Eines Tages geschieht vielleicht etwas, und dann werde ich verstehen, dass alles, was ich heute fühle, was keine Liebe zu sein scheint, in Wahrheit doch Liebe ist; dass ich meinen Bruder geliebt habe und die anderen, von denen ich abstamme.«Poetisch, ergreifend und mit großer Klarheit und eindrucksvoller Aufrichtigkeit erzählt Kincaid von Verlust und Abschied, von Hass und Liebe, Nähe und Distanz und den Illusionen, die unser aller Leben prägen. Aus der Verzweiflung wird Zuversicht, aus der Abrechnung die bewegende Geschichte einer Befreiung, einer Selbstfindung.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Lena Bopp freut sich über die Veröffentlichung der Bücher von Jamaica Kincaid. Über die überarbeitete Übertragung ihres Bruder-Romans durch Sabine Herting erfahren wir nichts. Dafür erkennt Bopp, wie klug die lange Zeit schon in den USA lebende Autorin in der Auseinandersetzung mit der Geschichte ihres an HIV erkrankten Bruders ihre eigene Distanz zur antiguanischen Heimat sowie Themen wie Kolonialismus und Rassismus verhandelt. Ohne dem Bruder wirklich nahe zu kommen, erklärt Bopp, kontempliert Kincaid, was aus ihrem Bruder hätte werden können, wenn er wie sie Antigua hätte verlassen können. Virtuos gehandhabt erscheint Bopp die rhythmische, hochpoetische und zugleich genaue Sprache, die den Leser laut Rezensentin in den Gedankenstrom der Erzählerin hineinzieht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Jamaica Kincaids Sprache, die den Nuancen der Gefühle entspricht und sie dennoch schonungslos und oft radikal preisgibt, ist hoch poetisch.« Ruth Klüger»Jamaica Kincaid traut sich, Gefühle in Worte zu fassen, die andere nicht einmal zu empfinden wagen.« Catarina von Wedemeyer, taz







