Im Juli 2021 habe ich an Andreas Koziol geschrieben und ihn um neue Texte gebeten. Seine Gedichte und Essays hatte ich immer bewundert, aber inzwischen war schon lange nichts mehr zu lesen gewesen von ihm. Über dieses Vermissen (fast ohne Pathos nenne ich es "Sehnsucht nach Texten von AK") hatte ich in jenem Sommer mit Henryk Gericke gesprochen, der mit Koziol befreundet war. Wir waren uns ganz einig darin, dass Andreas Koziol zu den Großen seiner Generation gezählt werden musste. Seine Poesie war einzigartig und elegant, "er entwickelte und verfeinerte Verfahren wörtlicher Kurzschlüsse und semantischer Irrläufer im Reagierenlassen von ausgelaugten Metaphern, ideologischen Phrasen und umgangssprachlichen Wendungen, die auf ihren Dingbezug entkleidet wurden", so Peter Geist, der auch auf jenen funkenschlagenden Gebrauch uns vertrauter Strukturen wie Reim und Strophe verweist, die im Spannungsfeld von Benennen und Benanntem jenes "Letterleuchten" (Andreas Koziol) erzeugen, das in den Farbtönen des Witzes, der Trauer und der Ironie sein betörend flirrendes, tänzerisches Spiel treibt. Henryk Gericke war es schließlich auch, der mich ermutigt hat zu jenem vielleicht eher ungewöhnlichen Schritt, mich direkt an Andreas zu wenden - eine etwa zwei Jahre andauernde Korrespondenz begann, die schließlich die Verfertigung jenes Manuskripts zur Folge hatte, das jetzt, wunderbarer Weise, als Buch erscheinen kann. Menschenkunde ist zugleich ein Vermächtnis, denn Andreas starb kurz nach Fertigstellung des Manuskripts. - Lutz Seiler
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Rezensent Christian Metz preist die späten Gedichte von Andreas Koziol, die nun posthum in einem Band erscheinen, als "poetisches Meisterstück". Die "Verlassenheit des Solitärs" spricht aus Koziols Lyrik, der in der DDR zu den angesehensten Akteuren der Prenzlauer Berger Dichterszene gehörte, später aber in Vergessenheit geriet, wie der Kritiker erinnert. Gleichzeitig blicke der Lyriker auf die Welt als eine "zutiefst verkommene", für die jede Rettung zu spät komme. "Wahrheitspoesie", schwärmt Metz, die gleichzeitig auf Klarheit und Einfachheit setze. Der Kritiker zitiert: "Der Stern der uns gebar hat uns verlassen/Damit wir besser in die Weltraumleere passen". Den einzigen Ausweg biete für den Dichter die Liebe, aber auch diese nur dann, wenn sie weder naiv noch stereotyp sei, wie Metz in Koziols "Liebesgedichtfragment" lesen kann. Einen "instruktiven" Einblick in die Entstehungsgeschichte des Bandes biete außerdem das Nachwort des Schriftstellers Lutz Seiler. Kurzum: Sowohl für jene, die Koziol neu entdecken wollen als auch für Fans eine absolute Empfehlung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Der Dichter Andreas Koziol hat einen Namen und ist doch ein unbekannter Meister. - Henryk Gericke, Faust Kultur So möchte ich loben: Andreas Koziols anhaltende Kraft, gegen das, was er als falschen Schein erlebt, das Schreiben zu lenken. Seine verlässliche Unbeirrbarkeit, aus Gegenwelten poetische Entgegnungswelten zu entwickeln. - Ingrid Sonntag, Laudatio zur Eugen-Viehof-Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung von 1859 Seine Sprache pendelt zwischen dem "Einreden" und dem "Ablauschen" - ... Phantasie und manische Assoziationsketten auf der einen Seite und Demut des Sehers, dem die Wirklichkeit Wahrheit einflüstert, auf der anderen Seite sind die Pole, die seine Sprachwelt begrenzen. - Kristin Schulz Ihm gelingen da Gedichte, die, scheinbar noch in literarischer Maske daherkommend, die ganze Skala der kaum auf schlüssige Begriffe zu bringenden gesellschaftlichen Konfiktlage treffen - "zeichen, daß der gesamtem einheimischen 'letterlage' eine empfindliche änderung bevorsteht". - Gerhard Wolf