Der opulent ausgestattete Bildband dokumentiert erstmals zusammenhängend die Reisen Kafkas in die Schweiz und nach Italien, die vor allem der Beobachtung fremden Alltagslebens galten, aber auch Konsequenzen für die Entstehung des Verschollenen hatten. Die Verwendung bisher unbekannter Veröffentlichungen Max Brods, der Kafka zweimal in den Süden begleitete, sowie die Einbeziehung zeitgeschichtlicher Quellen, insbesondere von Reiseliteratur und Fahrplänen, erlaubten eine minutiöse Rekonstruktion der Reiserouten sowie die Identifizierung und Lokalisierung der Monumente, Ereignisse und…mehr
Der opulent ausgestattete Bildband dokumentiert erstmals zusammenhängend die Reisen Kafkas in die Schweiz und nach Italien, die vor allem der Beobachtung fremden Alltagslebens galten, aber auch Konsequenzen für die Entstehung des Verschollenen hatten. Die Verwendung bisher unbekannter Veröffentlichungen Max Brods, der Kafka zweimal in den Süden begleitete, sowie die Einbeziehung zeitgeschichtlicher Quellen, insbesondere von Reiseliteratur und Fahrplänen, erlaubten eine minutiöse Rekonstruktion der Reiserouten sowie die Identifizierung und Lokalisierung der Monumente, Ereignisse und Örtlichkeiten, die in den spärlichen Reiseaufzeichnungen der Freunde zwar erwähnt, aber nicht benannt oder beschrieben werden. 473, teils farbig wiedergegebene historische Abbildungen, Ergebnis langjähriger Recherchen, veranschaulichen diese Urlaubserfahrungen Kafkas in chronologisch angelegten Bildsequenzen und vergegenwärtigen sie so vor dem Auge des Betrachters.
"Unverantwortlich ohne Notizen zu reisen, selbst zu leben." Franz Kafka, Reiseaufzeichnungen
Der Germanist Hartmut Binder (*1937) ist mit zahlreichen Arbeiten zur Prager deutschen Literatur hervorgetreten und gilt als besonderer Kenner von Leben und Werk Franz Kafkas. Seine Kommentarbände zu den Erzählungen und Romanen Kafkas (1976) sowie das von ihm herausgegebene zweibändige Kafka-Handbuch (1979) sind international anerkannte Standardwerke der Forschung, seine Kafkas Welt betitelte Chronik in Bildern (2008) dokumentiert minutiös alle erfaßbaren Lebensumstände des Prager Autors und seines Umfelds, während die Monographie Kafkas Verwandlung (2004) der Entstehung, Deutung und Wirkung dieser berühmten Erzählung gewidmet ist. Binder veröffentlichte außerdem Bücher und Aufsätze zu Oskar Baum, Otokar Brezina, Rainer Maria Rilke, Hugo Salus, Johannes Urzidil, Ernst Weiß, Franz Werfel und anderen Autoren des Prager Kulturkreises sowie zu Vereinen und zur Sozialgeschichte der böhmischen Metropole. Bei Vitalis erschienen unter anderem Wo Kafka und seine Freunde zu Gast waren (2000), Mit Kafka in den Süden (2007), Gustav Meyrink. Ein Leben im Bann der Magie (2009), Kafkas Wien (2012), Prag - Literarische Spaziergänge durch die Goldene Stadt (2017) und Gestern abend im Café - Kafkas versunkene Welt der Prager Kaffeehäuser und Nachtlokale (2021).
Alexander Kosenina freut sich riesig über diesen "minutiösen Kommentar" zu Kafkas Reisetagebüchern. Dass Hartmut Binder nicht dabei gewesen sein soll, als Kafka und Brod zusammen das Mailänder Bordell "Al vero Eden" besuchten, kann er eigentlich kaum glauben. Derart gründlich misst Binder mit Zeichengriffel und Fotoapparat die Texte an der Wirklichkeit, dass er sogar die Erinnerung der Autoren noch zu korrigieren vermag, staunt der Rezensent. Dass der Rechnungsprüfer im Autor nicht gänzlich die Oberhand über die Texte gewinnt, kann Kosenina allerdings auch versichern. Literarische Bezüge und der Vergleich zwischen der Perspektive Brods mit derjenigen Kafkas (beide keine "Baedeker-Touristen") machen das Buch für ihn zum Lesegenuss. Und nebenbei, weil Kafkas Reisekasse eher überschaubar war, zum frühen Ratgeber in Sachen günstig Reisen.