In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfand sich Russland durch Revolution und Stalinismus radikal neu. An seinem Ende wechselte es unter seinem ersten nachsowjetischen Präsidenten Jelzin zum demokratischen Glaubensbekenntnis - das Russland unter Putin ist neoimperial und »seine gelenkte Demokratie« verliert zunehmend an Zustimmung._Kerstin Holm ist Kulturkorrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Moskau und berichtet seit Jahrzehnten aus diesem von Konflikten zerrissenen Imperium. Moskaus Macht und Musen zeichnet vor diesem Hintergrund ein zeitgeschichtliches Panorama, wirft einen Blick hinter die russischen Fassaden - und beschreibt mit enormer Kennerschaft die Selbstdeutung der russischen Gesellschaft in Literatur und Musik. Kerstin Holms »Musen« sind der Romancier Wladimir Sorokin, die Dichterin Alina Wituchnowskaja und die so gegensätzlichen Komponisten Wladimir Martynow und Wladimir Tarnopolski. Von ihnen lässt sie »die menschliche Situation in ihrer russischen Zuspitzung ausleuchten«._Kerstin Holms über viele Jahr hinweg akribisch recherchiertes Buch Moskaus Macht und Musen bezieht aus diesem ungewöhnlichen Blickwinkel seine Originalität.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Mit großem Interesse hat Rezensent Ulrich M. Schmid Kerstin Holms neues Buch "Moskaus Macht und Musen" gelesen. Die Autorin, die der Rezensent für ihre faszinierenden Artikel und Bücher über Russland schätzt, analysiere hier an vier Fallstudien das ambivalente Verhältnis zwischen Kunst und Staat in Russland: Schmid liest etwa eine aufschlussreiche Studie über den Schriftsteller Wladimir Sorokin, der in seinen pessimistischen Zukunftsvisionen Science-Fiction mit einem politischen Rückfall in die grausamen Zeiten Iwans des Schrecklichen verbindet. Gebannt folgt der Rezensent auch Holms Ausführungen über den Komponisten Wladimir Martynow, dessen religiöse Musik der Autorin als Beispiel für die "Renaissance der Religion" im Russland des 21. Jahrhunderts dient. Schmid hat in dieser lesenswerten Studie viel über den häufig verhängnisvollen Stellenwert der Kunst in dem autoritären Staat erfahren - von Holm hätte er sich aber ein wenig mehr Distanz zu ihren Protagonisten gewünscht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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