Die Anthropologin Alpa Shah erzählt in ihrer außergewöhnlichen, preisgekrönten Ethnografie von ihrem Fußmarsch mit einer Gruppe maoistischer Guerillas, den Naxaliten. Sieben Nächte lang, 250 km weit durch die dichten Wälder Ostindiens. Seit Jahrzehnten kämpfen die Rebellen nahezu unbeachtet von der Weltöffentlichkeit gegen den indischen Staat, verüben Anschläge auf Großgrundbesitzer, Beamte und Polizei. Benannt nach dem Dorf Naxalbari in Westbengalen, wo der maoistische Aufstand 1967 seinen Ausgang nahm, wehren sie sich gegen die ungleiche Landverteilung und die soziale und wirtschaftliche Benachteiligung der indigenen Bevölkerungsgruppen durch das hinduistisch geprägte Kastensystem. In Gesprächen mit den Anführern und durch jahrelanges Zusammenleben in Dörfern der Guerilla-Hochburgen versucht Alpa Shah zu verstehen, was die Naxaliten antreibt, der größten Demokratie der Welt den Rücken zu kehren, zu den Waffen zu greifen und dabei möglicherweise die eigenen Ziele zu untergraben.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensentin Renate Kraft findet spannend, wie Alpa Shah in ihrem Buch - im Original bereits 2018 erschienen - aus den Mitten einer maoistischen Guerillatruppe in Indien berichtet. Die Ethnologin, deren Großeltern aus Indien nach Kenia und dann nach Großbritannien emigrierten, weiß Kraft, hat dafür in Soldaten-Verkleidung an einem 250-kilometerlangen Nachtmarsch der Truppe durch indigenes Land teilgenommen, um die Beziehung der sogenannten Naxaliten zu den indigenen Adivasi zu erforschen. So bringe Shah zutage: die Maoisten begegnen den Adivasi respektvoll, und beide Gruppen leiden letztlich unter der Wirtschaftsweise der Industrieländer, die den "globalen Süden überrollt" hat, resümiert Kraft. Auch die indische Regierung trete klar als "Gegner" von Shahs aktivistischer Forschung hervor, betont Kraft, wenngleich die Autorin auf problematische Seiten der Bewegung hinweise; allen voran korrupte Geldbeschaffungsmethoden und Gewalt. Für die Kritikerin ein "außerordentlich kluges" Buch, das nicht nur "politisch wie menschlich engagiert" sei, sondern sich auch lese wie ein "Abenteuerroman" - und nun verspätet hoffentlich auch in Deutschland Anerkennung findet.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH







