Naturrecht ist das Recht der Vernunft, doch Menschen werden fast immer von ihren Emotionen bestimmt. Philosophie, Medizin und Theologie um 1700 haben versucht, diese genauer zu ergründen.Was ist, wenn der Mensch komplett seinen Gefühlen und Trieben ausgesetzt ist - weil die Stimme der Vernunft nichts mehr ausrichtet? Während heute eine politische Psychologie, die von der Intelligenz der Emotionen ausgeht, der Lage etwas Gutes abgewinnen kann, gab es um 1700 schon einmal eine epistemische Situation, die sich der Macht der Gefühle stellte; aber mit einem pessimistischen Grundton. Was bleibt dann zu tun? Sind die Furcht vor Bestrafung und die Hoffnung auf Belohnung die einzigen legitimen Affekte, auf die natürliches Recht und gesellschaftlicher Friede bauen können? Oder gibt es Befreiungen, über die der Mensch doch noch zu konstruktiven Lebensweisen findet? Der vielfach mit Preisen ausgezeichnete Ideenhistoriker Martin Mulsow unternimmt eine spannende Achterbahnfahrt durch die Disziplinen, steuert Philosophie und Theologie, aber auch Medizin, Embryologie und Strafrecht, Musik und Ökonomie, Philologie und Kirchengeschichte an, um zu erkunden, was das Wissen von Emotionen im beginnenden 18. Jahrhundert gewesen ist. Auf diese Weise scheinen überraschende Perspektiven auf, die Diskurse von heute im fernen Spiegel der frühen Aufklärung erkennen lassen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Milos Vec ist schwer beeindruckt vom Wissensschatz des Ideenhistorikers Martin Mulsow, wie der Autor ihn in seinem Buch zu einer Gefühlsgeschichte im 18. Jahrhundert zusammenschnürt. Oder nicht ganz. Vec jedenfalls erkennt gleich fünf unterschiedliche Geschichten, weil der Autor in fünf in sich geschlossenen Essays immer neu ansetzt, Emotionen wie Furcht, Liebe, Hass oder Eifersucht vor dem Hintergrund der Frühaufklärung zu denken und zu erläutern. Dass es Mulsow auch gelingt, den Bogen vom zuvor gründlich historisierten Naturrecht in die Gegenwart zu schlagen, indem er verantwortungsethische Fragen aufwirft, scheint Vec umso bemerkenswerter.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Geschichten des Gefühls gibt es mittlerweile viele. (...) Mulsows Buch ergänzt und korrigiert diese Forschungen durch eine Rechtsgeschichte des Gefühls. Die Frage 'Was steckt dahinter?' möchte man nach Lektüre dieses Buches gewiss nicht mehr stellen.« (Thomas Steinfeld, Süddeutsche Zeitung, 24.03.2025) »Mulsow (kennt) wie nur wenige ein Quellenmaterial (...), das ebenso faszinierend wie fremd ist. (...) Die letzten Fußnoten dieses stupend belesenen Ideenhistorikers gelten dem grundrechtlichen Schutz künftiger Generationen. Ob die Juristen und Ethiker, die (Mulsow) hier zitiert, nicht auch ihn lesen und zitieren sollten?« (Milos Vec, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.05.2025)