Frühjahr 1945: Österreich wurde zwischen den vorrückenden Armeen der alliierten Mächte für ungewisse Zeit in ein politisches Niemandsland verwandelt. Es herrschten Chaos, Hoffnung und Angst. Kurt Bauer beschreibt die unterschiedlichen Schicksale und Erfahrungen der Menschen in diesem turbulenten Jahr anhand von Alltagsgeschichten. Er erzählt von dem Wehrmachtssoldaten, der auf verschlungenen Pfaden in die Heimat zurückgelangt; von dem jüdischen Emigranten des Jahres 1938, der nach seinem erzwungenen Exil als Soldat der siegreichen Armee seine Heimatstadt wiedersieht, aber das alte Wien seiner Kindheit nicht mehr findet; von der jüdischen Frau, die den Krieg in Wien überlebt hat und nun so rasch als möglich in die USA will ... Ein facettenreiches und packendes Buch.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ein lesenswertes Buch mit ein paar Schwächen, hält Rezensent Stephan Löwenstein hier in Händen. Bauer, ein freiberuflicher Historiker, hat diesmal kein klassisches geschichtswissenschaftliches Werk geschrieben, sondern eine österreichische Chronik des Jahres 1945 verfasst, die verschiedene Perspektiven auf diese Zeit des Umbruchs eröffnet. Ganz unterschiedliche Stimmen kommen zu Wort, Widerständler und Nazis, Bauern und Soldaten, gelegentlich auch prominente Stimmen wie die Ingeborg Bachmanns, aber sie sind in der Minderzahl. Die Stilform, die Bauer wählt, ist die Nacherzählung, was den Berichten etwas von ihrer Unmittelbarkeit nimmt, außerdem muss man ob des umfangreichen Personals oft hin und her blättern, denn das Buch ist chronologisch nach Jahreszeiten strukturiert. Löwenstein geht auf einige der dargestellten Geschichten näher ein, etwa auf die eines Bauers, der durch Österreich irrt, von der Angst vor der Roten Armee und der Sehnsucht nach seiner Familie hin und her getrieben wird. Auch die massenhaften Vergewaltigungen durch russische Soldaten kommen laut Rezensent ausführlich zur Sprache. Insgesamt ein faszinierendes historisches Kaleidoskop, das in den Details nicht durchweg zu überzeugen weiß, so könnte man die Besprechung zusammenfassen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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