Der obsessive Umgang mit Tod, Eros und Krankheit ist signifikant für Eugeniusz Tkaczyszyn-Dycki, dem rätselhaftesten und wortmächtigsten Gegenwartsdichter Polens. In »Norwids Geliebte« führt er uns in seinen Herkunftsort Wólka Krowicka, den er selbst schon lange nicht mehr besucht hat, und bedenkt alle Verstorbenen der Gegend, die nicht vergessen werden sollen, mit Gedichten. Im Zentrum des Bandes steht aber »Norwids Geliebte«, seine sich selbst zur Geliebten des romantischen Dichters Cyprian Kamil Norwid stilisierende Mutter, ihr Hang zum Alkohol, ihre Schizophrenie. Sowie sein tyrannischer Vater, »der Ernährer«, der ihnen verbot, die regionale ukrainisch-polnische Mischsprache Chachlakisch zu sprechen. Genau genommen schreibt Eugeniusz Tkaczyszyn-Dycki nicht über die Verstorbenen, vielmehr kommen sie zu ihm: »mich besuchen menschen die es / heute nicht mehr gibt«. Als Nachwort hat der Autor dem Band eine erhellende biografische Fußnote beigegeben, in welcher er von der gesellschaftlichen Ächtung der Mutter aufgrund der Kriegsverbrechen ihres Vaters erzählt, von ihren Erkrankungen, vom Zauber ihres gemurmelten, frei improvisierten Gedichtvortrags und von den Verfluchungen durch seinen Vater.
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Als "Wolkenschieber" charakterisiert Rezensent Nico Bleutge den polnischen Dichter Eugeniusz Tkaczyszyn-Dycki, als einen, der immer wieder "neue Welten schaffen" kann. Idyllisch geht es dabei nicht zu, warnt Bleutge. Widersprüche, Krankheit und Tod gehören für Dycki selbstverständlich zu dieser Welt. In diesem Band setzt er sich mit der Familiengeschichte auseinander, dem Alkoholismus und der Schizophrenie der Mutter, der, lernte er später, vielleicht auch der Ächtung durch die Nachbarn im Dorf an der ukrainischen Grenze geschuldet war, weil sich der Großvater einst mit ukrainischen Nationalisten gegen die Polen verbündet hatte. Dycki wiederholt und variiert die Namen, bis eine Litanei entsteht, die Bleutge den Schlaf raubt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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