Ein Kernbegriff der neuzeitlichen Wissenschaft wird zum Ausgangspunkt dieser brillanten wie überaus materialreichen Studie, die bildliches Anschauungsmaterial, Praktiken, Theorien und Geschichte in subtiler Weise miteinander verknüpft. Objektivität, so zeigt sich, hat eine Geschichte - und diese steckt voller Überraschungen.Lorraine Daston und Peter Galison zeichnen die Entstehung dieses Begriffs in den Wissenschaften vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart nach und zeigen, wie er sich von Konzepten wie der Wahrhaftigkeit der Natur und des geschulten Urteils unterscheidet. Dabei geht die Geschichte der Herausbildung erkenntnistheoretischer Ideale mit alltäglichen Praktiken der Herstellung wissenschaftlicher Bilder einher. Vom 18. Jahrhundert bis heute zeigen gerade die Abbildungen in wissenschaftlichen Atlanten, die von der Anatomie bis zur Kristallographie eine maßgebliche Präsentationsform des Wissens darstellen, auch die Vorstellungen und Ideale, die mit den empirischen Wissenschaften verbunden sind. Solche Atlanten dienten und dienen noch immer als Kompendien, die zeigen sollen, was sich anzuschauen lohnt, und wie es anzuschauen ist. Daston und Galison betrachten sie neu, um die verborgene Geschichte wissenschaftlicher Objektivität zu enthüllen.Dieses opulent ausgestattete Buch richtet sich an alle, die sich für den schwer faßbaren, aber gleichwohl wissenschaftshistorisch wie wissenschaftstheoretisch zentralen Begriff der Objektivität interessieren - und dafür, was es heißt, mit wissenschaftlichem Blick auf die Welt zu schauen.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Außerordentlich erfreut ist Rezensent Michael Adrian ob dieser Studie zur Objektivität von Lorraine Daston und Peter Galison. Die Quintessenz des Buches, so erklärt er, ist die Idee, dass auch das Thema Objektivität historisiert werden kann. Als Reaktion auf die Problematisierung wissenschaftlicher Subjektivität sei im 19. Jahrhundert eine spezifische Vorstellung von Objektivität entstanden. Anhand der Veränderung wissenschaftlicher Atlanten veranschaulichen die Autoren, wie zunächst nicht die naturgetreue Abbildung, sondern die idealisierte Typisierung im Vordergrund stand. Später wurde die Fotografie als der Zeichnung an Objektivität überlegenes Medium bevorzugt, doch ergaben sich auch hier Probleme der Interaktion von Gegenstand und Beobachtungsmethode. In mathematische und logische Welten sei manch Wissenschaftler daraufhin geflüchtet, aber der Anfang des 20 Jahrhunderts brachte einen neuen Umgang mit den Bildern - man schulte nun das Sehen. "Famos", "bestechend", "hervorragend übersetzt" und eine "beeindruckende Meditation über das erkennende Subjekt", überschlägt sich der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Für alle, die sich mit Wissen, Erkenntnis und Bildern befassen oder befassen wollen, ist dieses Buch Pflichtlektüre.« Süddeutsche Zeitung 20161205