Gilt nicht die Orgel als Instrument, das alle anderen umfasst und zu imitieren vermag? In seinen Gedichten weitet sie der norwegische Lyriker Øyvind Rimbereid zum poetischen Bild aus, wird die Orgel zum Klangkörper für die ganze Welt: Mal Vermittlerin des Trostes, mal Medium der Zerstörung, mal steht sie für eine aufgegebene Industrie, mal für den Siegeszug des Kolonialismus. Man könnte "Orgelsee" ein Konzeptalbum nennen: In teils weit ausgreifenden Gedichten klingen philosophische Ideen nach und hallt die weltumspannende Kommunikation technischer Apparaturen wider. Doch zugleich bleibt die Orgel, was sie ist: eine Quelle der Musik, elektrisch wummernd auf der Bühne einer Rockband oder wenn in einer Kirche leise Bach gespielt wird.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensent Nico Bleutge bleibt im Bild, das Oyvind Rimbereid in seinem Gedichtband "Orgelsee" bearbeitet, wenn er den norwegischen Dichter einen "Organisten" nennt. Sein Instrument, die Sprachorgel, beherrscht der Autor meisterhaft, lesen wir. Ein Virtuose ist er, der in seinen Gedichten verschiedenste Themen anspielt, zwischen Tonleitern und Tempi wechselt, und immer wieder neue interessante Klänge hervorbringt. Ab und an mögen seine Verse ein wenig zu mimetisch an "direkten Aussagen haften", findet der Rezensent, doch die vielen feinen Töne machen derlei Schwächen wieder wett. Beeindruckt zeigt sich Bleutge insbesondere auch von der Präzision, mit der Rimbereid Phänomene der Gegenwart erfasst und in Verbindung bringt - Machtmissbrauch etwa, und Selbstausbeutung, die Klimakatastrophe und die Totalität des Kapitalismus. Dass Rimbereids "Rinnsteingesang" auch im Deutschen angemessen zum Klingen kommt, haben wir und hat der Rezensent den Übersetzern Klaus Anders und Thomas Fechner-Smarsly zu verdanken.
© Perlentaucher Medien GmbH
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