Paloma: Das Buch trägt den Namen der Tauben im Flieder, der geflügelten Boten im Azur. 99 Briefe auf der Kreisbahn eines Jahres, von Mai 2006 bis April 2007: "lieber Freund, die weiszen Lilien, die du mir zur Tür gelegt hast, sind eine grosze Lust mein Schreibzimmer voll Glanz und Duft : das wird mich anfeuern zu schreiben", hebt der erste von ihnen an, in den Frühling geschrieben, den dichtenden Vögeln nach. "Fern Schreiben" sind es, an den Freund, den Leser und an ihn, den abwesenden Verbündeten, der dahin ist und doch nie gegangen. Während draußen die Gegenstände wie Bühnenkulissen wechseln und das Leben sich im Fenster vis-à-vis spiegelt, hält Friederike Mayröcker Zwiesprache mit sich selbst: "bin den ganzen Tag am Lauschen : Worte, Wortbilder, Sätze, (...) fliege immer wieder auf und nieder, hierhin und dahin." Paloma ist ein kühnes, poetisches, wildes Buch über den Umgang mit sich und die "Menschen Verhältnisse", die Generalinventur einer großen Dichterin. Über das Schreckgespenst des Alters, die Geisteszerrüttung, den Schwindel siegt eine tiefe Lebenslust, die Glut des Schreibenwollens und die rücksichtslose Hingabe an die alles verwandelnde, tragende, die zum Himmel auffahrende Sprache: "Möchte saphirene Texte schreiben tatsächliches Blau."
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
In ihrem neuen Buch hat Friederike Mayröcker dem Eindruck von Rezensent Paul Jandl zufolge ihre immer noch tiefe "erdschwere Trauer" um ihren verstorbenen Gefährten Ernst Jandl in "flügelschlagende Poesie" verwandelt. Es handelt sich, wie der Rezensent schreibt, um neunundneunzig im Verlauf von elf Monaten verfasste Briefe, die die Dichterin an einen nicht näher bezeichneten "lieben Freund" adressiert habe. Zwar wird dem Rezensenten beim Lesen schnell klar, dass dieser Adressat lediglich eine "Hilfskonstruktion des Herzens" für die Autorin ist. Doch die radikale Intimität des Tons, den diese Form ermöglicht, empfindet er als großen Vorteil dieser Komposition. Das jeweilige Datum ordne die Notate chronologisch und lasse den gleichmachenden Strom der Zeit durch sie hindurch fließen, in dem Jandl Erhabenes und Banales, Gegenwart und Erinnerung, Traum und Alltag zu einer Sprache der Poesie verschwimmen sieht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ohne Punkt oder Komma voneinander getrennt, sind Leben und Schreiben bei Friederike Mayröcker eins geworden.« Julia Encke Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung







