Mit seiner komplexen Sinnstruktur und der aufwendigen erzählerischen Komposition ist der Parzival keine 'leichte Lektüre', dennoch kann dem Werk mit über 80 überlieferten Textzeugnissen eine einzigartige Wirkungsgeschichte im Mittelalter nachgesagt werden. Wolfram von Eschenbach verarbeitet alle geläufigen Problemstellungen seiner literarischen Epoche - teilweise kritisch ironisierend, teilweise für seine Zeit neuartig zuspitzend; dem Roman kommt damit exemplarische Bedeutung für die Themenkomplexe der höfischen Literatur insgesamt zu.Der Autor verfolgt parallel zum Hauptgeschehen um Parzival eine Vielzahl von weiteren Handlungssträngen. In immer neuen 'Würfelwürfen' (schanzen - Metapher Wolframs im Prolog des Parzival in Bezug auf sein eigenes narratives Verfahren) spielt er die politischen, gesellschaftlichen und religiösen Probleme, vor die sich Parzival gestellt sieht, mit anderen Protagonisten durch und entfaltet die Romanhandlung so zu einer umfassenden Anthropologie.Wolfram selbst war sich dessen bewusst, dass seine oft sprunghafte, bildreich assoziierende Erzählweise neu und ungewöhnlich war; er vergleicht sie mit dem 'Hakenschlagen eines Hasen auf der Flucht vor Ignoranten'.Der Parzival folgt einer Doppelromanstruktur mit einem langen Prolog. Nach den ersten beiden Büchern, die sich der Vorgeschichte der Haupthandlung widmen, also den Abenteuern Gahmurets, Parzivals Vater, beginnt Wolfram von der Kindheit seines Protagonisten zu erzählen. Es folgt später der Wechsel zur Gawan-Handlung, die durch den Besuch Parzivals beim Einsiedler Trevrizent unterbrochen und anschließend wieder aufgenommen wird. Der Inhalt der beiden letzten Bücher ist Parzival gewidmet.Hauptquelle des Parzival ist der unvollendete Versroman Perceval le Gallois ou le conte du Graal/Li contes del Graal von Chrétien de Troyes, entstanden zwischen 1180 und 1190. Wolfram selbst distanziert sich im Epilog überraschend von Chrétien, nennt dagegen mehrfach das Werk eines gewissen 'Kyot' als Vorlage und versieht diese auch noch mit einer abenteuerlichen Entstehungsgeschichte. Da aber ein solcher 'Kyot' außerhalb von Wolframs Dichtung nicht identifiziert werden konnte, sind diese Angaben eher als literarische Koketterie des Autors und Kyot als Quellenfiktion einzuordnen.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Tilman Spreckelsen entdeckt viel Zeitloses in Wolfram von Eschenbachs Roman. Brücken vom Mittelalter in unsere Zeit sind für ihn Liebesleid und eine aus den Fugen geratene Welt. Wenn der Untergangsstimmung im Artus-Reich im Text die höfische Erziehung in ihrer Aporie gegenübergestellt wird, fragt Spreckelsen nach der Rolle der höfischen Gesellschaft insgesamt. Und auch das Konzept der Rache wird hinterfragt, sodass der Rezensent überlegt, ob die Welt nicht besser wäre, würde nur der "Parzival" mehr gelesen. Gelegenheit, meint er, bietet diese metrische, doch weitgehend ungereimte Neuübertragung von Franz Viktor Spechtler, der der Rezensent allerdings die ältere von Dieter Kühn in vieler Hinsicht vorzieht, und die er mitunter dunkler findet als die Vorlage.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Mit dieser [...] Konzentration auf den Text des Sangallensis ist dem Herausgeber ein Kabinettstück editorischer Kunst gelungen."Michael Stolz in: Zeitschrift für deutsche Philologie 1/2011
"Wie Metallspäne nach dem Magneten richten sich alle auf ihn (Rolf Boysen) und das literarische Opus aus."







