Das Gesetz ist dazu da, ALLE Menschen zu beschützen. Oder? Tessa Ensler ist die auffälligste unter den jungen Strafverteidiger:innen Londons. Sie entstammt nicht einer jener angesehenen Familien mit old money. Sie hat sich aus einem Klima häuslicher Gewalt befreit und aus der Arbeiter:innenklasse hochgearbeitet. Heute verteidigt sie unter anderem Männer, die wegen sexueller Übergriffe angeklagt sind. Ihre Art, Zeuginnen - die mutmaßlichen Opfer - ins Kreuzverhör zu nehmen, ist legendär und wird zu ihrer Eintrittskarte in den inner circle der Anwaltskammern. Es scheint, als hätte sie es geschafft. Doch dann passiert etwas, das ihren Glauben an das Gesetz tief erschüttert, und sie entscheidet sich, selbst in den Zeug:innenstand zu treten.
»'Prima Facie' ist so viel mehr als ein Roman: eine scharfe Anklage, ein Schritt-für-Schritt-Prozess, in dem wir uns für Zeugen halten, bis wir erkennen, dass wir alle schuldig sind. So muss Literatur sein, die etwas bewirken will. Dieses Buch ist für alle, die nicht länger nach den Gesetzen des Patriarchats leben wollen!« Mareike Fallwickl
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Hendrik Buchholz zögert, den auf dem gleichnamigen Theaterstück basierenden Debütroman der australischen Schriftstellerin Suzie Miller vorbehaltlos zu würdigen. Die aus "ärmlichen Verhältnissen" stammende Anwältin Tessa Ensler wird von einem Kollegen vergewaltigt, aus der "eloquenten Verteidigerin" wird ein stummes Opfer. Der Rezensent liest in dieser Geschichte ein nicht wenig ambitioniertes, nicht leicht zu meisterndes und auch für den Leser anspruchsvolles Projekt: Miller geht der Frage nach, wie das britische Justizsystem mit Opfern sexueller Gewalt umgeht, während sie gleichzeitig den Klassenkonflikt zu skizzieren versucht, in dem sich Tessa in ihrer Londoner Anwaltskanzlei gefangen sieht. Dass das Buch durch seine moralische Relevanz, auf die der Leser am Ende des Buches noch einmal ausdrücklich aufmerksam gemacht wird, über die auffälligen Schwächen der Darstellung hinwegzutäuschen versucht, findet Buchholz schließlich besonders problematisch.
© Perlentaucher Medien GmbH
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