Paul Feyerabend ist durch sein Diktum "Anything goes" berühmt geworden. Damit ist seine Philosophie aber keineswegs erschöpfend charakterisiert. Die hier erstmals ins Deutsche übersetzte Schrift von 1965 offenbart wesentliche Aspekte seines Denkens: Mythologie, Kosmologie und Metaphysik sind als Erklärungsmodelle "erlaubt", während ein radikaler Empirismus zu verwerflichem "theoretischen Monismus" führt. Feyerabends Schrift scheint heute moderner als zu ihrer Entstehungszeit.
Dass alles Wissen aus der Erfahrung stammt - dieser Grundsatz des Empirismus überzeugte im letzten Jahrhundert vor allem jene Naturwissenschaftler, denen die Philosophie nicht exakt genug war. Der "fröhliche Wissenschaftler" Paul Feyerabend (1924-1994), unter anderem in Berkeley, Zürich, London, Yale lehrend, untersuchte diesen Grundsatz in einer detaillierten Abhandlung aus 1965. Sie ist nun erstmals in deutscher Übersetzung von Volker Böhnigk und Rainer Noske präsent. Die in Bonn und Euskirchen lebenden Kollegen belegen in ihrem ausführlichen und gut begreiflichen Nachwort etwa Feyerabends anhaltend populäres Diktum "anything goes": alles sei erlaubt, so es nur einen Forschungsertrag zeitige. Die Beschränkung des Empirismus erschien dem wohl wichtigsten Kritiker zeitbezogener Erkenntnistheorien als entschieden zu eng, resümieren Böhnigk/Noske. Praxis und tatsächliche Methoden der Wissenschaften seien wesentlich vielfältiger als starre Grundsätze, welche die Philosophen den Wissenschaften unterstellten. Und aus dieser Einsicht heraus entwickelte Paul Feyerabend sein liberales wie radikal pluralistisches Denken. Generalanzeiger
Woher kommt die kontinuierliche und zahlenmäßig beträchtliche Zunahme des Alleinlebens, und wie geht ein entsprechender Alltag vonstatten? Die Frage hat in der soziologischen Literatur etliche Spezialstudien hervorgerufen, sie dient als Ausgangspunkt für Bücher der feministischen Theorienbildung und produziert nicht nur bei Demographen einen Alarmismus moralischer und ökonomischer Art, der die Erkenniserwartung eher enttäuscht als erfüllt. Unbefriedigend bleibt, wie einlinig diese ebenso interessante wie voraussetzungsreiche Fragestellung in der Regel behandelt wird: Entweder verzettelt man sich - etwa bei der Auswertung von Tonbandaussagen oder Briefen - oft grob psychologisierend im Labyrinth der Einzelbefunde, oder man greift ohne hinreichende Absicherung durch Belege in den Sternenhimmel der Theorie. Im reich ausgestatteten Kosmos der Beziehungs- und Single-Literatur fehlte bisher die Studie, von der man den Eindruck hätte, sie würde die höchst individuellen Erwägungen, die dieser Thematik innewohnen, mit den gesellschaftlich wirksamen Mechanismen und - wenn man so will - allgemein anthropologischen Erwägungen zu einem fundierten Ganzen zusammenfügen. Der französische Soziologe Jean-Claude Kaufmann gehört sicherlich zu denen, von denen man noch am ehesten erwartet hätte, daß sie dieser Aufgabe gewachsen sind. Seit Jahren beschäftigt er sich mit Aspekten von Paarbeziehungen und Familienleben und hat dabei stets einen originellen, die Schemata sprengenden Zugriff gefunden. Das zeigen seine Bücher "Schmutzige Wäsche" (wann wird das Bügelbrett zum Krisenherd?), "Frauenkörper - Männerblicke" (wer darf sich "ohne oben" sonnen?), "Mit Leib und Seele" (warum waschen, ordnen, schrubben wir so und nicht anders?). Schon die treffsichere Wahl dieser Aspekte, mit der Kaufmann der conditio humana gehaltvoll auf die Schliche zu kommen sucht, demonstriert nicht nur den gebührenden Umfang an Lebenserfahrenheit, sondern läßt den Autor auch als einen Meister des verhalten-humorvollen Tons hervortreten, wie er für die genaue Beobachtung des Menschlichen nun einmal absolut erforderlich, in der Soziologie aber leider relativ selten zu finden ist. Nun wartet Kaufmann mit einem in der Tat bahnbrechenden Werk über das Single-Dasein auf, das seit wenigen Tagen auch in der deutschen Übersetzung vorliegt ("Singlefrau und Märchenprinz". Über die Einsamkeit moderner Frauen. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2002. 271 S., br., 24,-
CHRISTIAN GEYER
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Auch wenn es heute still geworden ist um den 1994 verstorbenen Philosophen Paul Feyerabend, gehören seine Arbeiten nach Einschätzung des Rezensent Manfred Geier noch immer zu den besten Darstellungen der wissenschaftlichen Praxis. Mit "Probleme des Empirismus" liegt Feyerabends bereits 1965 erschienene Arbeit zur Wissenschaftstheorie in einer deutschen Übersetzung vor. Geier findet darin Feyerabends grundlegende Einsichten, die er später entfaltete und radikalisierte. Unübersehbar sei dabei aber auch, dass die Stichworte von Popper souffliert wurden. Geier versteht Feyerabends Plädoyers für einen "theoretischen Pluralismus", für eine "Revolution in Permanenz", für die Bedeutungsänderung von Begriffen uswund so weiter als Ausführungen von Popperschen Ansätzen. Damit stellen Feyerabends "Probleme des Empirismus" nach Ansicht von Geier nicht nur eine Etappe Feyerabends auf dem Weg zum Anarchisten dar, sondern markieren auch ein Stadium in seinem Schaffen, in dem er sich noch zu seinem Lehrer Popper bekannte, bevor er ihn zu attackieren begann.
© Perlentaucher Medien GmbH
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