Wenn uns die über tausendjährige Zeitspanne, die wir mit dem Namen »Mittelalter« bezeichnen, als einheitliche Epoche erscheint, so unterliegen wir wohl einer perspektivischen Täuschung. Zu deren Korrektur bedarf es erstens einer geographischen Präzisierung des Raumes, dessen Geschichte da gegliedert werden soll: westliches oder »lateinisches« Europa. Und zweitens wird man bei näherem Zusehen feststellen, daß sich in jenem Zeitraum zwischen 500 und 1500 nach Christus mehrere tiefe Einschnitte vollzogen, die in ihrer Überlagerung zur sogenannten »Neuzeit« geführt haben und schließlich zu der »Moderne«, mit der wir uns heute identifizieren - müssen. Eine dieser Schnittlinien, die um 1200 gezogen wurde, ist gemeinhin nur als kunsthistorischer Stilwandel bekannt: als Übergang von einem mittelalterlichen Stil zu einem anderen. In diesem Buch macht Walter Seitter den Versuch, diesen Stilwandel als ästhetisches Symptom eines kulturellen Bruchs abzutasten, der die geopolitische Konstellierung des gesamten europäischen Raumes umpolt: indem sich Westeuropa zu »okzidentieren«, ja zu »atlantisieren« beginnt, stellt es den althergebrachten Primat des »Orients« in Frage.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Walter Seitter verspricht in seinem Buch "Reaktionäre Romanik" fünf Essays über den architektonischen und kulturellen Wandel von der Romanik zur Gotik, keine strengen wissenschaftlichen Abhandlungen sollen sie sein, sondern nur seine "eigene Meinung", berichtet Johannes Fried. Aber auch Meinungen müssen gewissen Ansprüchen genügen, findet der Rezensent, und Seitters seien "sachlich unzureichend und analytisch unangemessen". Friedrichs II. Castel del Monte unterstellt der Autor beispielsweise eine "rittermönchische Dynamik", halb Festung, halb Kloster, dabei ist in Wahrheit weder Militärisches noch Sakrales zu entdecken, wundert sich der Rezensent. Wer sich mit dem mittelalterlichen Stiftergedenken auskennt, wird sich auch mit Seitters anschließender Interpretation der Figuren im Naumburger Westchor nicht anfreunden können, warnt Fried. Wenn der Autor nur schildern möchte, was er sieht, sollte er mit verallgemeinernden Aussagen über eine "reaktionäre Romanik" vorsichtiger sein, findet Fried, ein erster Eindruck ersetze nun mal keine umfangreiche Forschung. Mit einem aktuellen Kunstreiseführer in der Hand reist es sich immer noch besser, vermutet der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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