Produktdetails
  • Verlag: Sanssouci Verlag
  • ISBN-13: 9783836301657
  • ISBN-10: 3836301652
  • Artikelnr.: 25617244
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.11.2009

Rom sehen und leben

Hanns-Josef Ortheil hat ein Buch über Rom geschrieben, das weit mehr als bloß ein Reiseführer ist. Es ist eine Liebeserklärung an die Ewige Stadt.

Vor kurzem schrieb mir ein deutscher Freund, er wolle für seine geplante Rom-Reise Hanns-Josef Ortheils Buch "Rom. Eine Ekstase" als Reiseführer mitnehmen. Die Begeisterung, mit der er von diesem Buch sprach, machte mich neugierig. Ich las es auch. Ortheil gehört zu jener Sorte von deutschen Literaten, die Rom leidenschaftlich lieben. Er kam schon 1969 zum ersten Mal für längere Zeit in die Ewige Stadt und kehrte danach noch oft zurück, so dass er, wie man so sagt, dort jeden Stein kennt.

Das Wort "Ekstase" im Untertitel umschreibt deshalb sehr gut die Essenz dieser Liebe. Ortheil hat in Rom wie ein Römer gelebt, weshalb sich sein Buch auch von anderen Reiseführern unterscheidet. Goethe und seine Erfahrungen in der Ewigen Stadt sind für ihn ein fester Bezugspunkt. Allerdings erzählt er nicht das, was Goethe in der "Italienischen Reise" mitteilte, denn in diesem Alterswerk scheute sich der Olympier zu gestehen, was er in Rom so alles getrieben hatte. Zur Sprache kommt vielmehr das, was die jüngsten Forschungen zutage gebracht haben: dass Goethe nämlich in Rom unter falschem Namen lebte, sich als Maler ausgab und sich auch dementsprechend verhielt.

Goethe suchte in Rom nicht nur die Spuren der Antike, sondern interessierte sich vielleicht mehr noch für das Leben des römischen Volks, das er in den römischen Osterien kennenzulernen suchte. In den Fußstapfen Goethes widmet auch Ortheil viele Seiten seines Büchleins kulinarischen Aspekten und beweist eine seinem Mentor durchaus würdige Kenntnis der römischen Trattorien. Er zählt eine ganze Reihe von Lokalen auf, in denen man gut essen kann, wobei es sich oft um Trattorien mit langer Geschichte handelt, die gleich miterzählt wird. Auch die typischsten Gerichte dort werden beschrieben, und über Zutaten und Zubereitung macht der Autor detaillierte Angaben.

So weitet sich alles zu vergnüglichen historischen Exkursen über die römische Küche aus, die sich von den übrigen regionalen Küchen Italiens sehr unterscheidet. Was auch einen Grund hat: die hohe Konzentration von Kardinälen und Prälaten in Rom. Diese behielten sich die besten Fleischstücke vor und überließen den Rest, vor allem die Innereien, dem Volk: Leber, Kutteln, Nieren, Milz und ähnliches Gekröse. Auf diese Weise entstanden einige der typischsten römischen Gerichte wie das Ochsenschwanzragout mit Tomaten und viel Sellerie ("Coda alla Vaccinara") oder die Nudeln mit gefüllten Kalbsdärmen ("Rigatoni con la pajata"). Die Rezepte kann man bei Ortheil nachlesen.

Diese kulinarischen Erkundigungen gehören zu den unterhaltsamsten Teilen des Buchs, was aber nicht heißt, dass Ortheil die berühmten Seiten Roms vernachlässigte. Er kennt die Kunstdenkmäler Roms ebenso gut wie die römische Küche und begleitet den deutschen Rom-Reisenden kompetent bei seinen Besichtigungen. Dabei wird er aber nie pedantisch, denn er belebt seine Erläuterungen mit einer geistvollen historischen Anekdotik. Die Wege zur Besichtigung der Stadt hat Ortheil mit Bedacht so ausgewählt, dass sich die bekanntesten Sehenswürdigkeiten mit weniger bekannten abwechseln, so dass es oft zu wahren Entdeckungen kommt. Wenn zum Beispiel von der Villa Farnesina die Rede ist, die der Bankier Agostino Chigi Anfang des sechzehnten Jahrhunderts erbaute, so verweist er nicht nur auf die auch von Goethe bewunderten Raffael-Fresken, sondern erzählt auch von Chigi selbst und seinen Geliebten und von der Kurtisane Francesca Andreazza, die ihm vier Kinder gebar und die er zum Schluss sogar heiratete. Auch die berühmten Gelage des Bankiers werden erwähnt, zu denen Kardinäle und Prälaten, Künstler und Literaten und sogar Papst Leo X. kamen. Man tafelte in einem zum Tiber gelegenen Portikus; die Speisen wurden auf silbernen Tellern gereicht, die nach jedem Gang in den Tiber geworfen wurden. Allerdings waren unter Wasser Netze aufgespannt, um die Teller wieder einzusammeln.

Für einen kurzen Besuch des Forum Romanum schlägt Ortheil Vergils "Aeneis" auf. Ein ganzes Kapitel ist auch der Kuppel des Petersdoms gewidmet, wobei das Buch von Horst Bredekamp über Sankt Peter den Leitfaden bildet. Einer der Spaziergänge durch die Stadt schließt einen ausgedehnten Besuch in der Galleria Doria-Pamphili ein, in die sich Touristen nur selten verirren. Wie viele andere römische Gemäldegalerien geht auch die Galleria Doria-Pamphili auf den Sammlerfleiß von Kardinalnepoten zurück, die einen Teil der ihnen von den jeweiligen päpstlichen Onkeln zugesicherten Einkünfte in den prestigeträchtigen Erwerb von Kunstwerken steckten. Beim Verlassen der Galerie entdeckt Ortheil einige antiquarische Buchläden und landet schließlich in der Bar Sant' Eutacchio, wo man den besten Espresso Roms trinken kann. Dieser erste Platz wird ihr allerdings von der nahe gelegenen Bar "Tazza d' Oro" beim Pantheon heftig bestritten.

Ganz ungewöhnlich sind dagegen die Spaziergänge durch Trastevere und Testaccio, bei denen sich Ortheil von den Aquarellen von Ettore Roesler-Franz, einem römischen Künstler des neunzehnten Jahrhunderts mit deutscher Abstammung, leiten lässt. Die Beschreibungen dieser Wege gehören zu den farbigsten des Buchs. Trastevere, deren Bewohner sich für Nachfahren der alten Römer halten, und Testaccio, der "Bauch von Rom", waren bis vor kurzem zwei der populärsten Viertel Roms. Der große Markt von Testaccio versetzt unseren Autor in hellste Begeisterung, er gerät über all die Gemüse, Fische, Würste, Käsesorten und anderen römischen Spezialitäten, die man dort kaufen kann, geradezu ins Schwärmen. Ich als Römer kann nur versichern, dass Ortheils Büchlein mit Fotografien von Lotta und Lukas Ortheil in seiner Mischung von Ernstem und Vergnüglichem sehr anregend und kompetent ist. Eigentlich braucht man nicht auf die Reise zu gehen. Man kann ebenso gut Ortheils Reiseführer zu Hause genießen und sich dabei fühlen, als wäre man selbst in Rom.

ROBERTO ZAPPERI

Hanns-Josef Ortheil: "Rom. Eine Ekstase". Mit Fotografien von Lotta und Lukas Ortheil. Sanssouci Verlag, München 2009. 157 S., geb., 14,90 [Euro].

Roberto Zapperi, geboren 1932, lebt als Universalgelehrter in Rom. 2007 veröffentlichte er "Römische Spuren - Goethe und sein Italien".

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Höchstes Lob spendet der Autor Roberto Zapperi seinem Kollegen Hanns-Josef Ortheil für diesen enthusiastischen Romführer, und er geht sogar soweit zu behaupten, die Lektüre versetze die Leser derart vollständig nach Rom, dass sich eine Reise beinahe erübrige. Nicht wie ein Tourist, sondern wie ein Römer bewegt sich Ortheil laut Zapperi durch die Stadt, und das kann man aus dem Munde des selbst in Rom lebenden Rezensenten nur als Auszeichnung verstehen. Ortheils kulinarische Streifzüge findet er dabei genauso kenntnisreich und anregend wie seine Spaziergänge zu bekannten und weniger bekannten Stätten Roms. Dass der Autor bei allem demonstrierten Wissen dabei nicht kleinkariert wirkt und seine Beobachtungen zudem mit historischen Anekdoten auflockert, macht Zapperi die Lektüre nur noch kurzweiliger, und so kann er dieses Buch als Begleitung zu einer Reise, selbst wenn sie nur im Kopf stattfinden sollte, wärmstens empfehlen.

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