Erfreulich, daß nun endlich eine Werkedition F. zu Reventlows erschienen ist - v.a. die Briefe und die wichtigen Tagebücher mußte man sich antiquarisch besorgen.
Nun hat sich der Igel-Verlag an die Arbeit gemacht, das Ergebnis sieht auf den ersten Blick blendend aus und läßt nicht nur das
Bibliophilenherz höher schlagen.
Der wunderschönen äußeren Aufmachung entspricht der Inhalt aber nur…mehrErfreulich, daß nun endlich eine Werkedition F. zu Reventlows erschienen ist - v.a. die Briefe und die wichtigen Tagebücher mußte man sich antiquarisch besorgen.
Nun hat sich der Igel-Verlag an die Arbeit gemacht, das Ergebnis sieht auf den ersten Blick blendend aus und läßt nicht nur das Bibliophilenherz höher schlagen.
Der wunderschönen äußeren Aufmachung entspricht der Inhalt aber nur teilweise; jeder der fünf Bände wurde von einem anderen Herausgeber betreut, unter der Leitung von M. Schardt: K. Tebben, A. Thomasberger, B. Kubitschek, M.-M. Langner und B. Müller. Sie widmeten sich der Aufgabe ganz offensichtlich mit unterschiedlichem Engagement und Sachkenntnis.
Der erste Band der Reihe (Hg.: Tebben), herausgegeben sowie kenntnisreich und scharfsinnig kommentiert, bildet einen fulminanten Auftakt und hätte als Einzelband die Bestnote redlich verdient.
Das gilt, mit Abstrichen, auch für den 5. Band (Erzählungen, Gedichte, Skizzen, Novellen, Aufsätze; Hg.: Müller). Tadelnswert ist aber, daß hier ausgerechnet der berühmte "Schwabinger Beobachter" nur in einer stark gekürzten Version abgedruckt wurde – diese wundervolle kleine Satire ist zwar in mehreren Archiven zugänglich, aber gedruckt so gut wie gar nicht.
Auch die Textedition von Bd. 2 (Hg.: Thomasberger) ist nicht zu beanstanden, wohl aber das bemerkenswert schlampige Nachwort. Jede Seminararbeit liefert mehr Information.
Anders liegt der Fall bei den Bänden, die F. zu Reventlows autobiographischen Schriften gewidmet sind.
Beim Briefe-Band (Hg.: Langner) steht über jeder Kritik der erstmalige Abdruck von über 100 bislang unbekannten Briefen. Doch fehlt diesem Band ganz einfach ist ein exakter Editionsbericht, wie er bei wissenschaftlichen Ausgaben längst Standard ist. Etwas schludrig wirken auch mehrere offensichtlich falsche Brief-Datierungen und das Nachwort. Hier fehlte ein aufmerksames Lektorat.
Am schlimmsten erwischt hat es in dieser Edition aber ausgerechnet F. zu Reventlows Tagebücher (Hg.: Kubitschek). Man fragt sich, was sich die renommierte Reventlow-Expertin gedacht hat: Versprochen wird dem Leser nämlich die wissenschaftliche Neuedition der Tagebücher – nachdem bislang nur eine durch allerlei Editionsfehler entstellte Version in mehreren Ausgaben vorliegt. Wie bereits ein Blick ins handschriftliche Original zeigt, ist diese 1971er Version mit Lese- und Editionsfehlern aller Art behaftet. Im einzelnen handelt es sich hier um orthographische Korrekturen, um Umformulierungen und Kürzungen, um Lesefehler der schwerwiegenderen Art (u.a. auch zahlreiche Orts- und Personennamen) und um viele (niemals gekennzeichnete!) Auslassungen.
Der damaligen Herausgeberin Else Reventlow kann man daraus keinen Strick drehen. Wer F. zu Reventlows Handschrift kennt, verzeiht gern die Fehler und stellt das Positive in den Vordergrund.
Doch bei einer Neuedition erwartet man mehr als die exakte Kopie der bisherigen Fassung. Seite für Seite wurde der bereits etablierte Text brav abgeschrieben, mit allen Lücken und Fehlern. Ein Blick ins Original zeigt, welch eine Mogelpackung hier unter dem Etikett "wissenschaftliche Edition" angeboten wird. Die Verlautbarung "Für unsere Neuedition wurden Druckfehler und Irrtümer der älteren Ausgabe beseitigt. Die Handschriften wurden zu diesem Zweck herangezogen" ist eine dicke Lüge. Vielleicht wurden Druckfehler beseitigt. Aber die Handschriften hat niemand auch nur von weitem gesehen.
Kurz: Wir haben hier eine wunderbare bibliophile Gesamtausgabe vorliegen, aber in den neuen Schläuchen gärt immer noch alter Essig.
Hier wurde am falschen Ende gespart. Da ausgerechnet F. zu Reventlows wichtigste literarische Hinterlassenschaft, das Tagebuch, so stümperhaft ediert wurde, hagelt es Punktabzug. Wie gesagt, es ist schade um die Leistungen der anderen Herausgeber, und um die wunderbare bibliophile Ausstattung auch. Und schade um F. zu Reventlow. Eine Gesamtausgabe ihrer Werke hätte ich nur zu gern positiv rezensiert.