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Produktdetails
  • Verlag: Hanser
  • ISBN-13: 9783446135635
  • Artikelnr.: 21217585
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.09.2010

Extrablatt!
Die "Berliner Abendblätter" als Jubiläumslieferung

Heute vor zweihundert Jahren erschien in der "Vossischen Zeitung" eine Annonce, die dem Publikum mitteilte, wie es die angekündigten "Berliner Abendblätter" erhalten könne: "hinter der katholischen Kirche No.3, zwei Treppen hoch, Abends von 5-6 Uhr", und zwar am 1. Oktober das erste Stück gratis. Etwas untypisch für eine Tageszeitung war der erste Beitrag dann ein "Gebet des Zoroaster". In ihm sprach sich die Redaktion, also - wie in der Nummer vom 22. Oktober erklärt wird - Heinrich von Kleist, Mut und die Bereitschaft zu, sich ganz vom Gefühl des Elends durchdringen zu lassen, in welchem das Zeitalter liege.

Sechs Monate lang gab es die Zeitung, der recht bald die Zensur auf die Füße trat, teils ihrer politischen Artikel halber, teils wegen eines Theatertumults, den sie ausgelöst haben soll. Als der Abdruck von Theaterkritiken unterbunden wird, nimmt das Interesse des Publikums schon im Dezember 1810 stark ab. Im zweiten Quartal drucken die "Berliner Abendblätter" zumeist nur noch Texte anderer Zeitungen nach. Der letzte Beitrag betraf eine Geistererscheinung nahe Prags. Zuvor hatte Kleist dem preußischen Regierungsrat Raumer, den er für die Schwierigkeiten seines Journals verantwortlich machte, noch mit einer Duellforderung gedroht.

Zuvor erschienen in den "Abendblättern", die durch die Brüder Grimm überliefert sind, die sie als einzige nicht weggeworfen haben, vor allem Polizeiberichte, viele Anekdoten, Gerüchte ("Die berüchtigte Louise, von der Mordbrenner-Bande, soll vorgestern unerkannt auf dem Posthause gewesen sei . . ."), Rätsel sowie einige Stücke Kleists, die seitdem zitiert werden wie sein "Über das Marionettentheater" oder die Beschreibung einer Seelandschaft von Caspar David Friedrich. Aber auch der "Entwurf einer Bombenpost" sowie der Bericht über die jüngsten Anstrengungen der Aeronautik sind nach wie vor interessant. Man kann vor allem an den Anekdoten den Ursprung des Feuilletons wie der Novelle studieren.

Das alles kann man seit kurzem anhand der definitiven Kleist-Edition für das allgemeine Publikum, nämlich der Münchner Ausgabe tun, die auf der Grundlage der großen Brandenburger Ausgabe den Text der Abendblätter vollständig bringt (Heinrich von Kleist: Sämtliche Werke und Briefe, hrsg. von Roland Reuß und Peter Staengle, München: Hanser Verlag 2010, 3 Bände). Die "Berliner Abendblätter" selber aber kann man sich auch vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. März 2011 in derselben Abfolge zusenden lassen, in der sie vor zweihundert Jahren Tag für Tag außer sonntags erschienen. Das bietet das Institut für Deutsche Philologie der Universität Würzburg an. Man muss dazu nur die Internetadresse https://lists.uni-wuerzburg.de/mailman/listinfo/berliner.abendblaetter eingeben, um dort das kostenfreie Abonnement zu tätigen.

kau

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