Ein weiterer, äußerst lesenswerter #MeToo-Roman
Wer „Prima facie“ mochte, wird hier eine würdige Alternative finden, denn wenig überraschend ist es völlig egal, in welcher Branche oder in welchem Land sich ein 6ueller Übergriff ereignet - das Victim Blaming und die juristischen Hürden sind
überall gleich.
Während „Prima facie“ aber einen starken Fokus auf das Rechtssystem und den Wandel der…mehrEin weiterer, äußerst lesenswerter #MeToo-Roman
Wer „Prima facie“ mochte, wird hier eine würdige Alternative finden, denn wenig überraschend ist es völlig egal, in welcher Branche oder in welchem Land sich ein 6ueller Übergriff ereignet - das Victim Blaming und die juristischen Hürden sind überall gleich.
Während „Prima facie“ aber einen starken Fokus auf das Rechtssystem und den Wandel der Protagonistin von Verteidigerin zu Betroffener legte, setzt „Service“ die Komplexität der Tat anders um. So gibt es hier drei Erzählstimmen, die den zu Beginn nur zaghaft angedeuteten Vorfall vielschichtig betrachten.
Ich mag verschiedene Perspektiven sehr, weil sie, wenn gut geschrieben, ein komplexes Gesamtbild schaffen können. Das ist Sarah Gilmartin eindeutig geglückt! Kellnerin Hannah, die sehr jung im gehobenen Restaurant T anfängt, schildert zunächst eindrücklich die Atmosphäre in der Gastronomie. Wer dort schon einmal gearbeitet hat, wird das Geschriebe wohl körperlich fühlen, so authentisch ist es.
Daniel, der Beschuldigte, ist ein arrogantes Ekel und ich habe mich einfach kontinuierlich aufgeregt. Andere schreiben davon, dass sie sogar fast auf seine Sicht hereingefallen sind, das war bei mir gar nicht der Fall. Auch, wenn der Charakter eines Menschen nicht zwangsläufig auf sein Verhalten schließen lässt, war für mich hier von Anfang an alles klar. Seine Sicht, so gut sie auch in die Handlung passt, ist der Grund, warum ich einen halben Stern weniger vergebe als für „Prima facie“ - es hat mich einfach zu sehr aufgewühlt, ihn wiederholt in meinem Kopf zu haben.
Julie, seine Ehefrau, ist eine faszinierende Figur, die erst im Laufe der Geschichte Vergangenes neu einordnet und damit die für mich spannendste Entwicklung durchläuft. Sie ist die Figur, die zwischen den beiden anderen steht und deren Urteil wiederholt schwankt.
Ein großes Plus des Romans ist die Solidarität unter den Kellnerinnen und die war für mich auch das, was das Buch zum Schluss durchaus empowernd machte, ohne angesichts der bitteren Realität naiv zu sein. Eine Geschichte, die schmerzvoll und zum Schreien, aber eine klare Empfehlung ist!
4,5 ⭐️
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TW: Vergew@ltigung, 6uelle Übergriffe, Substanzmissbrauch