Eine Siedlung am Fuß des Bergs Inussuk. Dreiundvierzig Erwachsene leben hier, zwölf Kinder. Noch, denn der Friedhof wächst, während das Dorf schrumpft. Die Verdienstmöglichkeiten sind schlecht, die jungen Leute wandern in die größeren Orte an der Westküste ab. In eins der leer stehenden Häuser zieht Constable David Maratse. Bei seinem letzten Einsatz in der grönländischen Hauptstadt Nuuk wurde der Polizist so schwer verletzt, dass er dienstuntauglich erklärt und frühpensioniert wurde - und das mit nicht mal vierzig. Er lässt alles zurück, was er besitzt, will künftig nichts weiter tun als Fischen und Jagen. In Inussuk aufgewachsen ist Nivi Winther, inzwischen Vorsitzende der grönländischen Sozialdemokraten und amtierende Premierministerin. Als mitten im Wahlkampf ihre siebzehnjährige Tochter Tinka spurlos verschwindet, beauftragt sie Maratse, den Fall zu übernehmen. Winthers größter Konkurrent ist Malik Uutaaq, der eine neue nationale Identität und die Unabhängigkeit Grönlands propagiert und als machtgieriger Populist gilt. Und er soll die letzte Person sein, die das Mädchen lebend gesehen hat ...
»Nie zuvor war die arktische Kälte so verführerisch wie in Christoffer Petersens Krimis.« Lilja Sigurðardóttir
ERMITTLERPORTRÄT
„Rauchen hilft“, das sagt David Maratse immer in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet. Auch in der Reha, in der wir ihn am Anfang von „Sieben Gräber für den Winter“ kennenlernen. Knapp hat er die Folter des „Chinesen“ überlebt. Verbrannte Haut und massive Nervenschäden. Er schleppt sich mehr voran, als dass er ginge. Stechende, schneidende, flammende Schmerzen. David Maratse gibt nicht klein bei. Er war bei der Polizei in Grönland. Nun ist er in Ruhestand – und mit 39 Jahren körperlich ein Wrack. Manchmal ist er froh, „dass der Chinese nur die Haut vernarbt hatte, die er nicht zeigte, und der Schmerz im Innern seines Körpers verborgen blieb“.
Gehen zu lernen, bereitet ihm höllische Schmerzen. „Doch kurz bevor er dachte, er würde ohnmächtig, stellte er sich den Chinesen mit seinem Elektroschockpaddel vor und spuckte an die Wand und wünschte den Dreckskerl über die Hölle der Weißen hinaus in das frostversengte Reich von Grönlands finstersten Geistern, wo verkohltes Fleisch eine Delikatesse war und ausgestochene Augen bloß eine Unannehmlichkeit, bevor die richtige Folter begann.“
Die Entscheidung, nicht in Nuuk zu bleiben, sondern raus aufs Meer zu ziehen, auf die Insel Inussuk, scheint für David genau richtig. Er braucht das Meer, das Eis. So kann er wieder atmen, denken, zu sich kommen. Ein leerstehendes Haus, in das er einziehen kann. Kippen und ein Buch, mehr hat er nicht dabei. Aber das scheint erst mal kein Problem zu sein, denn auf der Insel hält man zusammen. Irgendwo finden sich alte Klamotten, Stiefel, er wird zum Essen eingeladen, und der junge Hund aus einem Wurf im Nachbarhaus scheint David als sein Herrchen ausgewählt zu haben. Mürrisch schaut der sich all das an, aber spürt auch, dass er sich zuhause fühlt. Früher hatte er schon mal Hunde und Gespanne gehabt, an der Ostküste. Aber das scheint ewig her zu sein. Nun ist er in Inussuk, und selbstredend fährt er mit Karl, dem Nachbarn, hinaus zum Fischen. Schraubt sich in die Lücke zwischen seinen Zähnen eine Zigarette, zieht den Kragen seines geschenkten Overalls hoch und denkt an gebratenes Robbenfleisch, das auf einem offenen Feuer im eigenen Fett brät.
Doch dann holen David Maratse das Leben, die Politik und vielleicht auch eine sich anbahnende Freundschafts- oder Liebesgeschichte ein. Petra Jensen, Mitte 20, ruft verdächtig oft bei ihm an. Sie hatte sich schon in der Reha etwas um ihn gekümmert. Und der Fall der toten Frau, der Tochter der grönländischen Premierministerin Nivi Winther, wird zu seinem Fall. Winther will David als Privatermittler. Und obwohl der eigentlich nur seine Ruhe haben will, stimmt er zu. Wie Petra so treffend sagt: „Für jemanden, der Politik und Politiker nicht mag, steckst du jetzt ziemlich tief drin.“ Wie tief – das wird Maratse erst noch erfahren ...
„Rauchen hilft“, das sagt David Maratse immer in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet. Auch in der Reha, in der wir ihn am Anfang von „Sieben Gräber für den Winter“ kennenlernen. Knapp hat er die Folter des „Chinesen“ überlebt. Verbrannte Haut und massive Nervenschäden. Er schleppt sich mehr voran, als dass er ginge. Stechende, schneidende, flammende Schmerzen. David Maratse gibt nicht klein bei. Er war bei der Polizei in Grönland. Nun ist er in Ruhestand – und mit 39 Jahren körperlich ein Wrack. Manchmal ist er froh, „dass der Chinese nur die Haut vernarbt hatte, die er nicht zeigte, und der Schmerz im Innern seines Körpers verborgen blieb“.
Gehen zu lernen, bereitet ihm höllische Schmerzen. „Doch kurz bevor er dachte, er würde ohnmächtig, stellte er sich den Chinesen mit seinem Elektroschockpaddel vor und spuckte an die Wand und wünschte den Dreckskerl über die Hölle der Weißen hinaus in das frostversengte Reich von Grönlands finstersten Geistern, wo verkohltes Fleisch eine Delikatesse war und ausgestochene Augen bloß eine Unannehmlichkeit, bevor die richtige Folter begann.“
Die Entscheidung, nicht in Nuuk zu bleiben, sondern raus aufs Meer zu ziehen, auf die Insel Inussuk, scheint für David genau richtig. Er braucht das Meer, das Eis. So kann er wieder atmen, denken, zu sich kommen. Ein leerstehendes Haus, in das er einziehen kann. Kippen und ein Buch, mehr hat er nicht dabei. Aber das scheint erst mal kein Problem zu sein, denn auf der Insel hält man zusammen. Irgendwo finden sich alte Klamotten, Stiefel, er wird zum Essen eingeladen, und der junge Hund aus einem Wurf im Nachbarhaus scheint David als sein Herrchen ausgewählt zu haben. Mürrisch schaut der sich all das an, aber spürt auch, dass er sich zuhause fühlt. Früher hatte er schon mal Hunde und Gespanne gehabt, an der Ostküste. Aber das scheint ewig her zu sein. Nun ist er in Inussuk, und selbstredend fährt er mit Karl, dem Nachbarn, hinaus zum Fischen. Schraubt sich in die Lücke zwischen seinen Zähnen eine Zigarette, zieht den Kragen seines geschenkten Overalls hoch und denkt an gebratenes Robbenfleisch, das auf einem offenen Feuer im eigenen Fett brät.
Doch dann holen David Maratse das Leben, die Politik und vielleicht auch eine sich anbahnende Freundschafts- oder Liebesgeschichte ein. Petra Jensen, Mitte 20, ruft verdächtig oft bei ihm an. Sie hatte sich schon in der Reha etwas um ihn gekümmert. Und der Fall der toten Frau, der Tochter der grönländischen Premierministerin Nivi Winther, wird zu seinem Fall. Winther will David als Privatermittler. Und obwohl der eigentlich nur seine Ruhe haben will, stimmt er zu. Wie Petra so treffend sagt: „Für jemanden, der Politik und Politiker nicht mag, steckst du jetzt ziemlich tief drin.“ Wie tief – das wird Maratse erst noch erfahren ...








