Zwei literarische Strömungen kreuzen sich auf besondere Weise in den hier zum größten Teil erstmals publizierten Erzählungen des zwanzigjährigen Rilke: der realistische, detailgenaue, manchmal drastische Darstellungsmodus des Naturalismus und der hohe Ton des sich ankündigenden Symbolismus der Jahrhundertwende. Exemplarisch hierfür mag die Titelerzählung stehen, deren ornamental anmutende überschrift in Wirklichkeit die Bahngleise meint, auf denen ein Verzweifelter den Tod finden wird.
Rilkes Sprachkraft tritt bereits in diesen frühen Texten, die ursprünglich für ein »Novellenbuch« mit dem Titel »Was toben die Heiden« vorgesehen waren, klar zutage. Ihr einigendes Band liegt in der hohen Sensibilität des jungen Autors für das Leid der Menschen, die unter Armut, Gewalt und nicht zuletzt kirchlichen Moralvorstellungen zu leiden haben. So ist es ausgerechnet der Beichtvater, der die geläuterte Dirne in die Prostitution zurückstößt, und eine Frau, die ihrem Mann den Schädel spaltet, weil der mit ihrem Körper seine Trinkschulden begleichen will, ist trotz allem »eine Heilige«.
Doch auch leisere Töne klingen an: Mit feiner Psychologie beschreibt Rilke, wie die Liebe zweier »Schwärmer« in dem Moment zerbricht, in dem ihre Erfüllung in einer Ehe möglich wird.
Rilkes Sprachkraft tritt bereits in diesen frühen Texten, die ursprünglich für ein »Novellenbuch« mit dem Titel »Was toben die Heiden« vorgesehen waren, klar zutage. Ihr einigendes Band liegt in der hohen Sensibilität des jungen Autors für das Leid der Menschen, die unter Armut, Gewalt und nicht zuletzt kirchlichen Moralvorstellungen zu leiden haben. So ist es ausgerechnet der Beichtvater, der die geläuterte Dirne in die Prostitution zurückstößt, und eine Frau, die ihrem Mann den Schädel spaltet, weil der mit ihrem Körper seine Trinkschulden begleichen will, ist trotz allem »eine Heilige«.
Doch auch leisere Töne klingen an: Mit feiner Psychologie beschreibt Rilke, wie die Liebe zweier »Schwärmer« in dem Moment zerbricht, in dem ihre Erfüllung in einer Ehe möglich wird.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rilke hatte einer Veröffentlichung seiner frühen Erzählungen zu seinen Lebzeiten nicht zugestimmt, wohl weil er um ihre Anfängerschwächen wusste, vermutet Hannelore Schlaffer. Stattdessen hätte er sich eher den Kopf darüber zerbrechen sollen, schreibt sie, dass man ihn als "nekrophilen Frauenverehrer" hätte outen können. Auch wenn weibliche Wasserleichen durchaus ein gängiges literarisches Motiv jener Zeit waren, sei es auffällig, dass alle Erzählungen dieses Bändchens ausschließlich von Frauen handelten und dies wiederum nur in Verbindung mit dem Tod - sei es dem eigenen Tod oder dem ihrer Männer. Aber auch wenn alle Erzählungen weibliche Schicksale schilderten, stellt Schlaffer fest, erzählten sie doch nur von Männern; Frauen seien nichts als die Symptome einer männlichen Krankheit, eines Seelenzustands, den Rilke mit aller Faszination am Schrecken des Weiblichen schildere. Schlaffer weiß keinen Autor, der mit solcher Obsession die Frau zum Schicksal des Mannes erhoben hätte. Diese Obsession trete gerade in der Folge der Erzählungen deutlich hervor, fasst sie zusammen. Dass Rilke es später verstand, Frauen auf Abstand zu halten und dennoch von ihnen zu profitieren, interpretiert sie nun als "Ergebnis des nie vollständig bewältigten Schreckens", den Frauen offensichtlich bei ihm auslösten.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH








