Marktplatzangebote
9 Angebote ab € 4,22 €
  • Gebundenes Buch

Eine Biographie des Theaters ?x20AC;' 2500 Jahre Spektakel
Seit über 2500 Jahren entpuppen und verpuppen sich Mythen im Theater stets aufs Neue. Und doch ist das Theater blutjung. Rüdiger Schaper erzählt in Spektakel die Geschichte dieses Theaters, des Welttheaters. Mal spektakulär, mal still, immer sachkundig und emotional. Die Zeit läuft dabei rückwärts: von Christoph Schlingensiefs Multimedia-Kreationen zu den antiken Dramen des Atheners Aischylos.
Das Theater unterscheidet sich von den anderen Künsten dadurch, dass es allein im Moment lebt ?x20AC;' und in der Erinnerung des
…mehr

Produktbeschreibung
Eine Biographie des Theaters ?x20AC;' 2500 Jahre Spektakel

Seit über 2500 Jahren entpuppen und verpuppen sich Mythen im Theater stets aufs Neue. Und doch ist das Theater blutjung. Rüdiger Schaper erzählt in Spektakel die Geschichte dieses Theaters, des Welttheaters. Mal spektakulär, mal still, immer sachkundig und emotional. Die Zeit läuft dabei rückwärts: von Christoph Schlingensiefs Multimedia-Kreationen zu den antiken Dramen des Atheners Aischylos.

Das Theater unterscheidet sich von den anderen Künsten dadurch, dass es allein im Moment lebt ?x20AC;' und in der Erinnerung des Publikums. Es stirbt Abend für Abend aufs Neue ?x20AC;' und lebt. Das Theater entsteht im Spiel, immer im Hier und Jetzt. Diese Dynamik versteht der Theaterkenner und Theaterliebhaber Rüdiger Schaper einzufangen wie kaum ein Zweiter.Wer Spektakel liest, streift Orte und Begegnungen: der reist von Burkina Faso über Oberammergau, Kabul und Bagdad nach Las Vegas und Epidauros, der sieht den alten Kazuo Ohno über den Dächern Tokios tanzen, trifft Heiner Müller, Tschechow und Strindberg und erfährt, was die französische Schauspieldiva Sarah Bernhardt und der amerikanische Erfinder Thomas Edison miteinander tuschelten. Diese Geschichte ist subjektiv, überraschend und niemals vollständig. Der Leser wird auf Fährten gesetzt und neugierig gemacht, das Theater als das zu betrachten, was es seit 2500 Jahren ist: Spektakel.
Autorenporträt
Schaper, Rüdiger
Rüdiger Schaper, Jahrgang 1959, leitet das Kulturressort des Berliner »Tagesspiegel«, für den er seit 1999 tätig ist. Zuvor war er zehn Jahre lang Kulturkorrespondent der »Süddeutschen Zeitung« in Berlin. Bei Siedler sind von ihm zuletzt »Die Odyssee des Fälschers. Die abenteuerliche Geschichte des Konstantin Simonides, der Europa zum Narren hielt und nebenbei die Antike erfand« (2011) und »Karl May. Untertan, Hochstapler, Übermensch« (2012) erschienen. Rüdiger Schaper lebt in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Till Briegleb glaubt nicht an das Ende des Theaters, das hier vom Tagesspiegel-Kritiker Rüdiger Schaper tränenreich herbeigeschrieben wird. Da kann der Autor noch so viel Pathos bemühen, die romantische Zuschauerseele offenbaren, seinem Kulturpessimismus freien Lauf lassen und toten Theatermenschen von Müller bis Schleef Monumente errichten - Briegleb schaut lieber auf die Stellen im Buch, da der Autor seine Arbeit macht und kulturhistorisch analysiert oder mit dem Goethe-Institut nach Kabul reist. Dann beziehungsweise dort nämlich scheinen dem Rezensenten die Emphase des Autors und das Erlebte in einem sinnvollen Gleichgewicht zu stehen und das Theater noch zu leben.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.01.2015

Maßlos muss das Theater sein
Rüdiger Schaper und Hans-Thies Lehmann verteidigen die Bühnenkunst gegen ihre Verächter und voreiligen Liebhaber

Irgendwann gegen 23 Uhr kniete er auf offener Bühne, der Regisseur Einar Schleef, und flehte den Wiener Burgtheaterintendanten Claus Peymann an, über ebendiese für das Haus unverrückbare Grenze hinaus weiterspielen zu lassen. Zwei Stunden später endete die Uraufführung von Elfriede Jelineks "Sportstück". Und danach hatten Zuschauer und Kritiker den Eindruck, Jelineks Textgerölllawine sei nicht nur in ein überwältigendes Bühnenspektakel mit monströsen Chören verwandelt worden, sondern die antike Tragödie habe eine zeitgenössische Form gefunden.

Die Inszenierung von 1999 hat Theatergeschichte geschrieben. Und es gehört zu den gutgeölten Routinen des Kulturbetriebs, angesichts zurückgehender Auslastungszahlen und schwindender Kulturetats auf solche großen Momente zu verweisen, um das Theater als solches zu verteidigen. Es zu hüten, nicht nur als bürgerliche Institution der Traditionspflege oder als gesellschaftskritisches Manual, sondern als genuine Kunstform, als unüberbietbares Kollektiverlebnis.

"Schleefs Chöre besaßen eine solche Wucht, solch zerstörerische, kathartische Kraft", schreibt in diesem Sinn der Theaterkritiker Rüdiger Schaper in seinem Buch "Spektakel", "wie es zuletzt nur im Kino zu erfahren war." Und bei dem Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann heißt es in seinem jüngsten Buch: "Tragisches Theater bei Einar Schleef ist Theater der Überschreitung der dramatischen ,Bühnenform' und Theater des Chors, der Stimme, des Körpers als Demontage des naiven Ich-Bewußtseins ... in Anknüpfung an das antike Modell des tragischen Exzesses."

Beiden Büchern geht es um die unhintergehbare ästhetische Erfahrung der Präsenz, von Menschen, Figuren, Schicksalen in einem Theaterraum. Und obwohl ihr Gegenstand ein jeweils anderer ist, lassen sie sich als Verteidigungsschriften des Theaters in Zeiten seiner kulturpolitischen Legitimationsdauerkrise lesen. Mit durchaus verschiedenen Gegnern: Während Schaper auf die Verächter zielt, hat Lehmann die allzu innigen Liebhaber im Visier.

Den Verächtern setzt Rüdiger Schaper seinen Enthusiasmus entgegen. Sein Buch ist eine Sammlung glücklicher und geglückter Theatererlebnisse. "Ich will von einem Theater erzählen, das Erinnerungen begründet, das an die Existenz geht", schreibt Schaper. Es sind vorwiegend die eigenen Erinnerungen, von denen er erzählt. Nicht das Theater im Allgemeinen ist sein Gegenstand, sondern der theaterbesessene Feuilletonist selbst, in dem sich das Theater spiegelt. Schapers Begegnungen mit Texten und Performances von Aischylos über Shakespeare bis hin zu Schlingensief, seine Begeisterung für Schauspieler und seine Begegnungen mit großen Regisseuren und Theatermachern von Heiner Müller, Jürgen Gosch oder Dimiter Gotscheff bis hin zu Robert Wilson. Begegnungen, die sich hier zu hingebungsvollen Porträts verdichten. Schaper stellt seine Liebe zum Theater so emphatisch aus, als gelte es, mehr um den Zuschauer als um den Leser zu werben, der wissen will, warum das Theater diese oft beglückende, ja bezwingende Kraft hat.

Während Schaper die Unwiederholbarkeit des Theatererlebnisses durch das eigene Erleben lustvoll assoziativ "begründet", ist Hans-Thies Lehmanns Abhandlung ein strenges Theorie-Exerzitium. Eines, mit dem das Theater gegen die Liebhaber der großen Texte verteidigt wird. Denn seit in der Antike die Reflexion der Tragödie begann, so Lehmann, war der Inhalt der Texte alles, das Schauspiel dagegen sekundär. Lehmann diagnostiziert - vom Theaterverächter Platon über Aristoteles bis in die Gegenwart - eine Fixierung auf den Text und eine gefährliche Nähe der Tragödie zur Philosophie, in der vor allem die Katharsis hervorgehoben wird. Demgegenüber sieht Lehmann in der Anagnorisis, jenem erlösenden Moment des Wiedererkennens, das "Herz der tragischen Theatererfahrung".

Wenn etwa bei Sophokles die von Trauer und Rachegelüsten erfüllte Elektra in einem Fremden, der an den Atridenhof kommt, plötzlich ihren Bruder Orestes, der Agamemnon rächen wird, erkennt und mit einem Schlag all ihre Hoffnungen erfüllt sieht, dann ist das so ein Moment. Der erlösende Augenblick des Wiedererkennens - so Lehmanns Überzeugung - geht in der Lektüre nicht auf, er ist auf das Miterleben des Zuschauers angewiesen.

Lehmann denkt die Tragödie in den genuin theatralen ästhetischen Kategorien des Überschreitens, des Schreckens, des Exzesses, der Maßlosigkeit, die sich nur im Zusammenspiel von Schauspieler und Publikum zu einer Erfahrung des Tragischen verdichten können. Eine wichtige Rolle spielt dabei natürlich der Chor: "Im Tanz des Chors wird körperlich-sinnlich manifest, was in Rede und Handlung des Heros bedeuteter, angezeigter Sinn bleibt." Der Chor wird zum theatralischen Transmissionsriemen, um die Besessenheit des Helden auf die Zuschauer zu übertragen. Genau diese Wirkung hatte sich offenbar Einar Schleef zunutze gemacht.

Lehmann geht es darum, für das Nachdenken über das Tragische das Theater zurückzugewinnen. In minutiösen Einzelanalysen zeichnet er die Geschichte nach, entdeckt Hoch- und Verfallszeiten, von den "prädramatischen" Tragödien der Antike über die dramatischen Trauerspiele - von Racine über Schiller zu Kleist und Hölderlin - bis hin zum "postdramatischen" Theater der Gegenwart. Das gelingt ihm, im Wortsinn, überwältigend. Und zwar deshalb, weil er das Tragische in der immergleichen Grundsituation des Bühnengeschehens verortet: "Die Konfrontation des Lebewesens in seiner Sichtbarkeit = Gefährdung mit einem zuschauenden Kollektiv kann als Lebenselixier der tragischen Erfahrung angesehen werden."

Hans-Thies Lehmann legt hier die Summe seines theaterwissenschaftlichen Schaffens vor, die selbst Züge ihres Gegenstands trägt: Sie ist entgrenzend, kathartisch - und eine Zumutung. Sie wirkt wie Einar Schleefs pathetischer Kniefall am Wiener Burgtheater. Denn als Leser dieses Theoriemonolithen kommt man sich vor wie weiland Claus Peymann, der von der Dringlichkeit des Anliegens überzeugt wurde und weiterspielen ließ. Eine wahrhaft theatralische Theorie des Tragischen ist so entstanden. Manch ein Theaterkritiker schreibt an dieser Stelle: Jubel!

THORSTEN JANTSCHEK

Rüdiger Schaper: "Spektakel". Eine Geschichte des Theaters von Schlingensief bis Aischylos. Siedler Verlag, München 2104. 352 S., geb., 24,99 [Euro].

Hans-Thies Lehmann: "Tragödie und Dramatisches Theater". Alexander Verlag, Berlin 2013. 734 S., geb., 68,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
"Eine Hymne auf das Theater an sich. Eine Liebeserklärung. Man liest sie gerne." Spiegel Online