Im Zentrum des Buchs stehen originale Briefe, die Anita Frank (1921-1945) zwischen 1940 und 1944 an ihre Mutter in Basel schrieb. Die Mutter hatte sich 1940 durch eine Bürgerrechtsehe aus Berlin in die Schweiz gerettet, in der vergeblichen Hoffnung, ihre beiden Kinder nachholen zu können. Aus ihrer Arbeitsstätte, dem Jüdischen Krankenhaus Berlin, berichtete Anita regelmässig über die aktuellen Geschehnisse und schilderte eindrücklich die zunehmenden Repressionen gegen die jüdische Bevölkerung. Auch die Schicksale von Verwandten und Bekannten aus der Verfolgungszeit geraten dabei in den Blick. 1943 wurde Anita nach Theresienstadt und von dort nach Auschwitz und weiter nach Bergen-Belsen deportiert, wo sie 1945 an Typhus starb. Der jüngere Bruder Reinhard konnte kurz vor Kriegsende fliehen. «Spreche morgen Rolf» war der Abschiedsgruss,den Anita am Vorabend ihres Transports nach Auschwitz an die Mutter sandte - die chiffrierte Ankündigung des mutmasslichletzten Ganges zu ihrem Geliebten Rolf, der bereits zwei Jahre zuvor deportiert worden war.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Zuweilen wird beim Thema Holocaust vor Übersättigung gewarnt, zu Unrecht, meint Rezensent Peter Rawert, denn es sind gerade Einzelschicksale wie die hier gewissenhaft dokumentierten, die die Infamie der Judenverfolgung immer wieder schmerzhaft aktualisieren. Mit großer Bewunderung schildert der Rezensent die Herausgeberarbeit Christian Brückners. Es ist eine komplizierte Familiengeschichte, die hier erzählt wird: Die Mutter konnte sich noch nach Basel retten, die Kinder mussten in Deutschland ausharren, lange Zeit noch durch eine wohlwollende Pflegefamilie geschützt, aber dann kam doch die Deportation. Die Schwester Reinhard Franks, Anita (beide nicht verwandt mit Anne Frank), starb kurz vor der Befreiung entkräftet in Bergen-Belsen. Es sind vor allem ihre Briefe, die Rawert tief bewegen: ihre Zuversicht, die Schilderungen ihrer Arbeit als Krankenschwester im Jüdischen Krankenhaus vor der Deportation, ihre Freundschaft zur Pflegefamilie. Dies Buch verdient viele Leser, versichert Rawert, ja, es sei als Schullektüre geeignet.
© Perlentaucher Medien GmbH
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