1945 wurde die Berliner Stadtgrenze zur Zonengrenze, was zu einigen Kuriositäten führte: So ist das kleine Steinstücken verwaltungstechnisch Teil von Zehlendorf und umgeben von Potsdam-Babelsberg, das damals zur Sowjetischen Besatzungszone gehörte. Steinstücken im Amerikanischen Sektor blieb die einzige permanent bewohnte Westberliner Exklave, was eine besondere sicherheitspolitische Herausforderung darstellte. Die Ortslage wurde durch DDR-Grenztruppen abgeriegelt und von US-Militärpolizei bewacht. In dieses Steinstücken kommt Georg - Alter Ego des Autors - Anfang der 1960er-Jahre aus der rheinischen Provinz, um sich bei einem Mann namens Faßbinder einzuquartieren, wobei er zunächst absurde bürokratische Hürden zu bewältigen hat. Etwas Mysteriöses umgibt diesen Faßbinder, den Georg offensichtlich schon aus seiner Heimat kennt und der das "Dritte Reich" in KZ-Haft verbrachte. Noch nebulöser wird die Situation, als Faßbinder Georg bittet, bei der Flucht eines Ostberliners zu helfen. Und dann sind da noch die verschrobenen Einwohner Steinstückens, die Amerikaner, die eine Luftbrücke mit Helikopter einrichten, und die DDR-Grenzer, deren Gebaren immer bedrohlicher wird.Kerstin Hensel schreibt in ihrem Nachwort: "STEINSTÜCKEN ist STEINSTÜCKEN ist ein Roman. Poetisch, grotesk, barock, präzise, lakonisch, geschrieben im Atemrhythmus des Autors. Das Stakkato zeigt sein Getriebensein in klaustrophobischer Panik. Der Autor jagt Erinnerungen nach und wird von ihnen gejagt, stets auf höchster seelischer Alarmstufe. Erinnerungen verfugen sich in Rückblenden, Déjà-vus, Erschütterungen, in bedrohlichen kafkaesken Situationen."
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Erwartungsvoll liest Rezensent und Germanist Wulf Segebrecht den um 1961 entstandenen Roman von Rolf Haufs über Steinstücken, der erst jetzt postum erschienenen ist - laut dem Nachwort von Haufs' letzter Frau Kerstin Hensel wegen einer Untersuchungshaft Haufs' 1963 aufgrund angeblicher intensiver Ostbeziehungen, laut der Vermutung des Kritikers eher wegen der eigenen stilistischen Ansprüche des Autors. So falle der nun erhältliche Roman über den jungen Georg, der im Kalten Krieg aus dem niederrheinischen Rheydt in die westdeutsche Exklave Steinstücken zieht, ganz anders aus als die 1968 bereits erschienene Prosaerzählung derselben Geschichte: Während die Erzählung aus der Ich-Perspektive die "Unerklärbarkeit" der "Zerstückelungserfahrung" von Steinstücken in kurzen Szenen dokumentiere, versuche die Romanversion, diese Erfahrung auf individueller und auf zeitgenössischer Ebene mit klassischen Mitteln eines Entwicklungsromans zu beschreiben, analysiert der Kritiker. Das sei zwar weniger "radikal" und "modern" als die Erzählung, aber trotzdem allemal lesenswert, vermittelt Segebrecht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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