Ist Joseph Roths 'Hotel Savoy' ein Phantasiegebilde? Hat Adalbert Stifters 'Rosenhaus' ein reales Vorbild? Gibt es Franz Kafkas 'Schloß' in Wirklichkeit? Überraschende Entdeckungen am 'Ort der Handlung' - faszinierende Reisebilder des bekannten literarischen Spurensuchers. Eine repräsentative Galerie bedeutender Dichternamen mit den Schauplätzen ihrer großen Werke - originelle Anregungen zum Hobbytourismus für jeden Literaturfreund.
"Stifters Rosenhaus und Kafkas Schloß" von Dietmar Grieser, Amalthea, F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung, Wien/München/Berlin 1995, 234 Seiten mit einigen Schwarzweissfotos, gebunden, 39,80 Mark, ISBN 3-85002-375-3.
Dietmar Grieser, der sich selbst "Literaturtourist" nennt, ist tatsächlich der Begründer eines eigenwilligen Tourismus, dessen Routen sich ausschließlich an den Wegen von Dichtern und Schriftstellern orientieren; zuweilen auch an den Schauplätzen der Literatur, die aber oft mit den Wegen der Autoren übereinstimmen. Als die ersten Reportagen Griesers, "Schauplätze der Weltliteratur", erschienen, herrschte allgemein Begeisterung, und man feierte Grieser als den Erfinder einer neuen literarischen Gattung in deutscher Sprache; bis dahin war die literarische Spurensuche eine Spezialität angelsächsischer Länder. Inzwischen hat der Literaturtourist wohl an die hundert seiner speziellen Reisereportagen geschrieben. Auch der vorliegende Band beschränkt sich lediglich im Titel auf Stifter und Kafka. Er enthält zwanzig Reisebilder, unter anderen über: Rainer Maria Rilke, Franz Werfel, Hugo von Hofmannsthal, Mark Twain, Robert Musil, Joseph Roth, Heimito von Doderer, Ludwig Wittgenstein, Ingeborg Bachmann und Peter Handke. Die Begeisterung über Griesers neue Gattung ist der Nachdenklichkeit gewichen. Indem Grieser die Weltliteratur als touristische Attraktion darstellt, nimmt er ihr einen Teil ihres Geheimnisses. Denn Grieser überschätzt die Bedeutung des Schauplatzes für die Literatur. So schreibt er im Vorwort: "Thomas Mann hätte niemals den 'Zauberberg' schreiben können, hätte er nicht . . . seine Gattin Katja (in Davos) besucht." Das ist eine kindliche Logik, die außerdem falsch ist: Mann hätte eben einen anderen ,Zauberberg' geschrieben. Das ist alles. Griesers endlose Wanderungen auf den Spuren eines anderen enthalten ein Element unfreiwilliger Komik und Selbstaufgabe, die man keinem Touristen empfehlen sollte. Wann endlich werden wir auf den Spuren Griesers wandern: Hier hat Dietmar Grieser des Dichters Josef Weinheber gedacht. (Sr.)
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