Perlen der Lokalgeschichte
Schon der Titel verrät, dass es sich bei diesem Werk um eine Aufsatzsammlung handelt, die neben dem Beitrag zur Heidelberger Lokalgeschichte auch noch den Autor ehren will. So ist die Frage, ob die geehrte Leserin dieses Buch tatsächlich von Anfang bis Ende lesen soll.
Sie wird immer auch weniger Spannendes finden. Die Reihenfolge der Aufsätze ist chronologisch nach…mehrPerlen der Lokalgeschichte
Schon der Titel verrät, dass es sich bei diesem Werk um eine Aufsatzsammlung handelt, die neben dem Beitrag zur Heidelberger Lokalgeschichte auch noch den Autor ehren will. So ist die Frage, ob die geehrte Leserin dieses Buch tatsächlich von Anfang bis Ende lesen soll. Sie wird immer auch weniger Spannendes finden. Die Reihenfolge der Aufsätze ist chronologisch nach ihrem Inhalt:
Zunächst befasst sich Mumm mit dem Alter Heidelbergs und schränkt anhand des Patronats der Heiliggeistkirche den Zeitraum auf das frühe Mittelalter ein.
Dann begibt er sich auf den Plättelsweg, vor allem weil andere Autoren hier auf dem Holzweg waren. Mit Ludwig V. feiert er den Sieg über die Bauern 1525, nein, er nimmt nicht so Partei, aber in Heidelberg selbst fanden keine Kämpfe statt, wohl aber die Siegesfeier. Der nächste Held ist unser Brückenaffe und wird zum Primatologen: „Berühmt sind die Schach spielenden Affen im Naumburger Dom.“ (122) Ich würde so gerne sofort hinfahren. Den Bonner Brückenaffen scheint er nicht zu kennen, aber sonst lässt er keine Banane aus.
Auch beim Hotel Ritter zieht er erstaunliche Vergleiche bis hin zur Hofapotheke in Öhringen, die nach seiner Forschung ebenfalls von Flüchtlingen aus Tournai erbaut sein muss. Eine kleine Schwäche Mumms ist es, steile Thesen aufzustellen: Johann Casimir sei der historische „Jäger aus Kurpfalz“ (154) Aber war das nicht Carl Theodor? Mumm wird noch einen weiteren Aufsatz schreiben müssen.
Carl Theodor kommt gar nicht gut weg (Zitat Münter: „Es wird ein Glück seyn, wenn Carl Theodor einmal stirbt und der Herzog von Zweibrücken wird.“ 161) , wird doch im nächsten Aufsatz sein Nachnachfolger Carl Friedrich von Baden gelobt, der gerade beim Bürgertum für neue Freiheiten sorgte, die als „Toleranzpolitik“ bezeichnen wurde. Baden war durch die katholische Linie in Baden und die lutheranische in Karlsruhe ohnehin konfessionell geteilt. Die Verbesserung des Schulwesens kam meines Wissens aber erst später.
Ludwig Börne ist der längste Artikel gewidmet. Er kam als Louis Baruch nach Heidelberg, nachdem die Universität in Halle wegen Napoleon 1806 aufgelöst wurde, mit ihm die auch die Brüder Eichendorff. (Ich wusste gar nicht, dass sie zu zweit kamen). Wieder schreibt Mumm, dass sie von der „konfessionsübergreifende[n] Schulordnung“ profitierten. Na denn. Er wohnte in der Schiffgasse 6, David Zimmer (2 Aufsätze später) in der Haspelgasse 12 war mit seinen Eltern bekannt.
Der Aufsatz über den Karlsruher Jude Abraham Ettlinger, der für die Freiheit Griechenlands kömpfte und in osmanische Gefangenschaft geriet, passt kaum in dieses Buch. Heidelberg besitzt nur eines der wenigen Originalbü.cher seiner Geschichte.
Da von David Zimmer schon die Rede war, folgt der Artikel, wie aus dem Turnverein die freiwillige Feuerwehr entstand. Der Name Feuerwehr wurde erstmals 1847 in der Karlsruher Zeitung verwendet. (271) Wie schlecht der Brandschutz war, zeigt, dass bei einem Feuer in der Bauamtsgasse 4 Wasser aus dem Brunnen des Pfarrhauses in der Sandgasse 1 geholt werden musste. (277) Peter Desaga ist der Name, den man sich zur Feuerwehr merken muss. Er produzierte mit Erlaubnis von Bunsen übrigens auch einen neuen Gasbrenner. (287)
Weiter wird an Johann Lorenz Küchler erinnert. Der aufrechte Demokrat war im April 1832 an der Weinheimer Versammlung beteiligt, eine Vorstufe des Hambacher Festes am 27. Mai. Außerdem gründete er und war bis zum Tod Vorsitzender der Deutschkatholiken. Warum Mumm glaubt, dass sie bis heute noch existieren, wird er vielleicht später einmal darlegen. (301) Nach der Revolution 1848 verteidigte er die Demokraten vor Gericht und konnte einige Todesurteile abwenden, andere nicht. Besonders traurig ist die Geschichte Friedländers, dessen Todesurteil nicht vollstreckt wurde, weil er nach Amerika ins Exil gehen wollte, dann aber starb, weil sein Schiff unterging. (304)
Ein Höhepunkt ist Mumms Zusammenstellung über die Industrie in Heidelberg um 1900. Stefan George und Karl Lohmeyer sind auch interessant. Den Abschluss bildet ein Ausatz über Mumms Ende als Betriebsratsvorsitzender.
Wegen der kleineren Mängel müsste ich eigentlich 4 Sterne vergeben, es gibt aber noch einen Ehrenstern zum 75. Geburtstag von Hans-Martin Mumm, also volle 5 Sterne.
Zitate:
(Börne): Ich Louis Baruch sei in der ganzen Stadt als halber Narr, und in der halben Stadt als ganzer Narr bekannt. (198f)
Mit der Liebe zum Leben hört das Leben der Liebe auf. (209)
Erziehung ist Erziehung zur Freiheit. (209)
(Mumm): Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts zeugt die salomonisch-unpraktische Entscheidung, die Bahnverbindung nach Frankfurt in der Mitte bei Friedrichsfeld an das bestehende Netz anzubinden, von der Gleichrangigkeit Heidelbergs mit Mannheim. (246)