Der Sommer einer Vierzehnjährigen 1943 – sehr lesenswert und eindrücklich!
Bereits 1962 erschien dieser aufwühlende Klassiker aus der Feder der 1936 geborenen italienischen Autorin Dacia Maraini, der jetzt neu aufgelegt wurde. Sie gilt als Pionierin der feministischen Literatur. Der vorliegende
Roman ist wegweisend, teilweise befremdlich im Inhalt – und heute aktueller denn je.
Die…mehrDer Sommer einer Vierzehnjährigen 1943 – sehr lesenswert und eindrücklich!
Bereits 1962 erschien dieser aufwühlende Klassiker aus der Feder der 1936 geborenen italienischen Autorin Dacia Maraini, der jetzt neu aufgelegt wurde. Sie gilt als Pionierin der feministischen Literatur. Der vorliegende Roman ist wegweisend, teilweise befremdlich im Inhalt – und heute aktueller denn je.
Die Ich-Erzählerin Anna, vierzehn Jahre, und ihr um einige Jahre jüngerer Bruder Giovanni, werden zu Sommerbeginn von ihrem Vater aus dem Nonneninternat in Rom mit dem Motorrad abgeholt. Er bringt sie zu zu seiner neuen Partnerin Nina. Im Haus in Nähe des Strandes wohnen im Obergeschoss sein Arbeitgeber mit dessen Frau und dem achtzehnjährigen Sohn Armando.
Die beiden fühlen sich zunächst unwohl, auch Nina findet sich erst schwer in ihre neue Rolle als Stiefmutter ein, auch wenn es sich nur um eine kurze Zeit im Sommer handelt. Denn kaum beginnt die Schule, werden sie von ihrem Vater wieder im Internat abgeliefert. Er hat seine „Schuldigkeit“ getan. Die Beziehung der Kinder zum Vater ist kühl und distanziert. Auch fragt er sie immer, ob sie ihn lieb haben und sucht damit Bestätigung für sein hilfloses Tun.
Aber die beiden leben sich ein. Giovanni findet im Dorf „Freunde“, mit denen er am Strand meistens abhängt. Das Miteinander der Kinder ist aber sehr rau, beinahe toxisch. Und Anna versucht sich in ihrer aufkeimenden Pubertät zurecht zu finden. Sie beobachtet die Welt, lässt sich treiben. Die Sicht auf „Liebe“ und Sexualität ist befremdlich und verstörend. Die Suche nach ihrer Freiheit pendelt zwischen dem masturbierenden Armando und lüsteren, alten geilen Männern, die glauben, mit Geld alles kaufen zu können.
Es ist das Jahr 1943. Es herrscht der Krieg, Rom wird bombardiert und die Kampfflieger der Alliierten sind oft über dem Meer zu hören.
Kurzum: Anna und Giovanni sind in diesen Wochen am Meer auf sich alleine gestellt. Es kümmert sich niemand so richtig um sie, auch wenn Anna Nina im Haushalt zur Hand geht, bleibt ihre Freizeit ein Loch voller Fragen um das Leben.
Der Krieg hängt wie eine dunkle Wolke über den Ferien. Die Eltern tun ihn mit einer Handbewegung ab, also könnten sie diese Wolke beiseite schieben, um die Sonne wieder durchzulassen. Es wird getrunken, geraucht und Karten gespielt, als wäre alles eitle Wonne. Erst als Armando den Stellungsbefehl bekommt, zerplatzt die Seifenblase einer schöngeredeten Welt.
Es ist kein leichter Roman, oder mal schnell eine Sommerlektüre. Ganz im Gegenteil. Die Tage im August könnten leicht und unbeschwerlich, voller Sonnenschein sein. Aber Regen und Winter holen ein nicht vorhandenes Idyll ein. Die Autorin drückt der Gesellschaft ihren Stempel auf, kritisiert mit feiner Feder zwischen den Zeilen das italienische Kleinbürgertum. Es ist nicht zwingend ein Coming-of-Age Roman, sondern eine sehr gezielte Kritik am Kleingeist und am Faschismus.
Ein Buch, das Eindruck hinterlässt, und auch manchmal die Nackenmuskeln ob des Kopfschüttelns während der Lektüre strapaziert. Keine leichte Kost – aber, oder eigentlich gerade deswegen, sehr lesenswert. Ganz große Leseempfehlung .
Auch das Vorwort der Autorin zu dieser neuen Ausgabe möchte ich als sehr lesenswert hervorheben.