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Montaigne auf Tour»Ich schildere nicht das Sein, ich schildere das Unterwegssein.« Genau das tat Michel de Montaigne, nachdem er neun Jahre in seinem berühmten Turm saß und an den Essais schrieb: kaum waren sie 1580 erschienen, da machte er sich auf zu einer großen Reise: seine Route führte ihn über Süddeutschland (von Baden bis Augsburg), Teile der Schweiz, über die Alpen von Venedig bis nach Rom. Von dort aus ging es weiter nach Loreto bis Lucca und wieder zurück nach Rom, von wo nach einem weiteren Aufenthalt die Rückreise nach Frankreich angetreten wurde.Und auch dabei hatte der knorrige…mehr

Produktbeschreibung
Montaigne auf Tour»Ich schildere nicht das Sein, ich schildere das Unterwegssein.« Genau das tat Michel de Montaigne, nachdem er neun Jahre in seinem berühmten Turm saß und an den Essais schrieb: kaum waren sie 1580 erschienen, da machte er sich auf zu einer großen Reise: seine Route führte ihn über Süddeutschland (von Baden bis Augsburg), Teile der Schweiz, über die Alpen von Venedig bis nach Rom. Von dort aus ging es weiter nach Loreto bis Lucca und wieder zurück nach Rom, von wo nach einem weiteren Aufenthalt die Rückreise nach Frankreich angetreten wurde.Und auch dabei hatte der knorrige Eigenbrödler seine Eigenheiten. Am meisten hasste er, durch irgendein ortsunübliches Verhalten auffällig zu werden - und so passte er sich den jeweiligen Sitten an. Er spart sich weitläufige Berichte über die gewöhnlichen Sehenswürdigkeiten und beäugt mit der ihm eigenen Unvoreingenommenheit die täglichen Sitten und Gebräuche der fremden Kulturen, wägt Vor- und Nachteile der unterschiedlichenLebensweisen ab. Berichte über Hermaphroditen, über Ehen zwischen Lesben und Schwulen oder über die von den Schweizern beklagte allgemeine Sittenverderbnis findet er ebenso spannend, wie ihn die Koch- oder Tischsitten in Süddeutschland faszinieren. Er gibt öffentliche Bälle und stiftet Preise für die besten Tänzerinnen, in Venedig und Florenz studiert er eingehend die Bordelle, er erlebt Hinrichtungen und Teufelsaustreibungen und beobachtet ein jüdisches Beschneidungsritual.Eine Vielzahl dem Text beigegebener zeitgenössischer Illustrationen vermittelt ein Bild vom Reichtum des damaligen Lebens. Vor allem aber lässt Stiletts Übersetzung - wie schon bei seiner Übersetzung der Essais - den deutschen Leser zum ersten Mal spüren, dass Montaigne auch im Reisetagebuch ein Denk- und Sprachvirtuose ersten Ranges war. Schöner kann man Reiseerfahrungen in der Renaissance nicht erlesen.»Mein Geist rührt sich nicht, wenn die Beine ihn nicht bewegen.« Montaigne
Autorenporträt
Michel de Montaigne, geb. am 28. Februar 1533 auf Schloss Montaigne im Périgord, stammte aus einer reichen Kaufmannsfamilie und genoss eine humanistische Erziehung. Nach dem Studium der Rechte fungierte er von 1557-70 als Parlamentsrat, zog sich aber nach dem Tod seines Freundes La Boétie in das Turmzimmer seines Schlosses zurück, um zu schreiben. Es folgten Reisen durch Italien, die Schweiz und Deutschland. Von 1582-85 war er Bürgermeister von Bordeaux. Der große Gelehrte, der sich bewusst von der Schulphilosophie fernhielt, starb am 13. September 1592.

Hans Stilett erhielt 2003 für seine Montaigne-Übersetzungen den Schweizer Übersetzerpreis "Prix lemaniaque de la traduction". Der Preis wird alle drei Jahre einem Übersetzer aus dem Französischen ins Deutsche und einem Übersetzer aus dem Deutschen ins Französische verliehen. Hans Stilett verstarb 2015 im Alter von 92 Jahren.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2013

Literatur Neun Jahre saß Michel de Montaigne in seinem Turm und schrieb Essays, 1580 machte er sich auf "nach Italien über die Schweiz und Deutschland". Und wenn man heute die Tagebücher dieser Reise liest, die soeben neu herausgegeben wurden (Die Andere Bibliothek, 492 Seiten, 38 Euro), ist das natürlich vor allem ein Reiseführer in eine sehr fremde Zeit. Montaigne zieht von Gasthof zu Gasthof, von Trink- zu Schwitzkur, die eigentlichen Sehenswürdigkeiten aber sind die Sitten, die er auf seinen Stationen vorfindet und die so unterschiedlich sind, als reiste er durchs All. Jedes Kaff ist ein Kontinent, es herrscht eine Art Föderalismus des Wahnsinns. Er trifft Frauen, die sich als Männer ausgeben, Hermaphroditen, Lesben und Schwule, Teufelsaustreiber und katholische Prostituierte. Wie wenig diese Zeit in das Koordinatensystem von heute passt, erkennt man wohl am besten am überraschenden Lob für die deutsche Küche: Nie zuvor habe Montaigne "so delikate Gerichte gegessen". Und daran, den Wein ohne Wasser zu trinken, wie die Menschen vom Bodensee, daran könnte er sich auch gewöhnen.

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