Georgi Dimitroff ist einer der wenigen herausragenden kommunistischen Führer des 20. Jahrhunderts, deren mythischer Ruhm sowohl im Osten als auch im Westen in Teilen bis heute überdauert hat. Der bulgarische Revolutionär avancierte durch seinen Triumph im Reichstagsbrandprozess zum antifaschistischen Helden und zum Hoffnungsträger für die Volksfrontpolitik. Seine hier zugänglichen Tagebücher enthüllen, dass der "Steuermann der Komintern" in die "großen Säuberungen" involviert und ein Sendbote sowjetischer Geheimdienste war. Zusammen mit einer Fülle neu erschlossener Archivamterialien vermitteln die Notate überraschende und beklemmende Einblicke in das Imperium der "kommunistischen Weltbewegung", die Mechanismen sowjetischer Politik wie des Stalinschen Terrors. Das Tagebuch als einzigartiges Zeugnis und der Kommentarband mit einer ausführlichen Chronik und Kurzbiographien von mehr als 2000 Akteuren bieten entscheidend neuen Stoff für den Diskurs über die Kommunismusgeschichte.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Eine schwer verdauliche Lektüre findet Reinhard Müller, Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung, die Tagebücher des ehemaligen Generalsekretärs der Komintern und zieht in Zweifel, ob sich der Verlag, der ja auch die Klemperer-Tagebücher mit großem Erfolg herausgebracht hat, mit der vorgeblichen Demontage dieses kommunistischen Mythos wirklich einen Gefallen getan hat. Denn anders als Klemperer, der ja die funktionalisierte Sprache des Dritten Reiches analysiert hat, bediene sich der Apparatschik Dimitroff auch in seinen Tagebüchern ausschließlich der Bürokratensprache, ohne sich davon lösen zu können. Mit anderen Worten: sperrig, kryptisch, unverständlich. Denn auch die Anmerkungen und das Personenregister könnten viele Eintragungen nicht erklären, ärgert sich Müller, der hinterrücks eine Art Personenkult wieder eingeführt sieht, nachdem er sich die ausführliche Veröffentlichungsliste der Texte und Reden Dimitroffs angeschaut hat. Und zwölf Seiten einführenden Kommentar erscheinen ihm angesichts dieses opulenten, zweibändigen und über 1000 Seiten umfassenden Werks ebenfalls etwas dürftig.
© Perlentaucher Medien GmbH
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