Tarkowskis PferdeIn der Schönheit eines Pferdesauf einer sonnenbeschienenenWeide,an der ich im Zug vorüberfahre,wenige Tagenach dem Todes meines Vaters - sehe ich ihn plötzlich wieder. Ein Déjà-vu kann eine Flut von Erinnerungen auslösen, wie spätestens Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit literarisch beeindruckend belegt. Für Pia Tafdrup ist der Anblick grasender Pferde in der letzten Sequenz von Andrej Tarkowskis Film Andrej Rubljow ein solcher Moment: Nachdem sie Studenten in Jütland ihren Lieblingsfilm gezeigt hat, erblickt sie auf der Rückfahrt zufällig das gleiche Motiv aus dem Zugfenster und plötzlich "ist mein Vater zugegen" - der kurz zuvor gestorben ist. Tafdrup schildert das Erlebnis im Titelgedicht des vorliegenden Bandes, das gleichzeitig das Schlussgedicht ist. Danach stürzen die Erinnerungen auf sie ein, und sie schreibt diesen klar-analytischen wie ergreifenden Zyklus über Demenz und Tod des verehrten Vaters: die Gespräche mit ihm, die Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend, seine zunehmende Verwirrtheit und ihre eigene Hilflosigkeit. Pia Tafdrup gehört zu den bedeutendsten Lyrikern Dänemarks. Viele ihrer Gedichte erschienen in deutscher Übersetzung in Zeitschriften und Anthologien. Tarkowskis Pferde ist ihre erste Buchveröffentlichung in deutscher Sprache.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Wie die dänische Dicherin Pia Tafdrup die Demenz ihres Vaters in einem lyrischen Gespräch festhält, hat Marcia Bodrozic tief bewegt und beeindruckt. Als intensiv und schmerzhaft beschreibt die Rezensentin die hier vermittelte Erfahrung vom Verlöschen der Erinnerung. Die imaginäre Korrespondenz der Autorin, poetisch und liebevoll, ist für Bodrozic auch ein Spiegel für die Lebenden und Gesunden und Beispiel für die "metaphysische Fähigkeit des Standhaltens". Wie es ist, wenn die zeitliche Struktur in der menschlichen Beziehungen wegfällt, erfährt die Rezensentin eindringlich und fragt sich schließlich: Handelt es sich um Auslöschung oder Erlösung? Die Autorin schweigt dazu in ihrem Buch von schmerzlicher Innigkeit und Schönheit, so Bodrozic.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Der Band liest sich in seiner Gesamtheit geschlossen und soghaft, er sollte bei dem Thema auch durchaus in einem Zug genossen werden. (Jonis Hartmann, Fixpoetry, 08.07.2017)







