Produktdetails
- Verlag: Houghton Mifflin
- ISBN-13: 9780547239699
- Artikelnr.: 26676311
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Für eines sind die Romane von Philip Roth immer gut: um über Sex zu reden. Auch sein neuestes Werk, "The Humbling", sorgt da zuverlässig für Gerede. Ohne zu viel verraten zu wollen - die deutsche Übersetzung erscheint unter dem Titel "Die Demütigung" Anfang März bei Hanser -, sei gesagt, dass der Höhepunkt des Buches, bei dem neben drei Beteiligten einiges technische Gerät zum Einsatz kommt, nicht unbedingt ein literarischer ist. Dafür hat die amerikanische Autorin Katie Roiphe, auf deren unkonventionelle, den feministischen Comment verletzende Meinungen und erfrischende Bücher wie die Ehestudie "Uncommon Arrangements" stets Verlass ist, das Unbehagen, das Roth' jüngster Fischzug auslöst, nun in der "New York Times" zum Anlass für einen brillanten Aufsatz über das literarische Sexualverhalten amerikanischer Großautoren genommen ("The Naked and the Conflicted"). So eindeutig ihr Urteil über den neuen Roth auch ausfällt - "indem er über alte Männer schreibt, die sexuell versagen und die dieses Versagen rasend macht, lässt er uns den alten Schriftsteller sehen, der beim Schreiben über Sex versagt, was naturgemäß das viel herzzerreißendere Schauspiel ist" -, so sehr feiert sie ihn und seine Generationsgenossen, zumal Saul Bellow und John Updike, für ihre unermüdliche literarische Beschäftigung mit Sexualität. Man müsse Helden wie Portnoy, Zuckerman oder Angstrom nicht mögen, so Roiphe, um die intensiv erzählten Schilderungen ihrer diversen sexuellen Abenteuer zu bewundern. Besonders Updike hat es ihr angetan, dem der Ehebruch als Möglichkeit gelebter Sinnsuche keine Ruhe ließ und für dessen Alter ego Rabbit Sexualität in ihren besten Momenten einer Aufhebung der Sterblichkeit gleichkommt. Doch auch Saul Bellow, dessen Schilderungen manierlicher ausfallen, und Norman Mailer, den das Zusammenspiel von Sexualität und Gewalt umtreibt, gehe es nicht um bloße Befriedigung, sondern "um Trauer, Kitzel, Schönheit, Angst, Lustspiel, Enttäuschung, Hoffnung"; ihr ganzes Werk sei die Feier einer zusehends aussterbenden Männlichkeit. Denn der Nachwuchs fehlt: Bei den jüngeren Autoren gibt es keine Portnoys und Rabbits mehr. Stattdessen herrscht Unbehagen, eine sexuelle Ambivalenz, die, wenn man Roiphes Ausführungen folgt, über das rein Literarische hinausgeht. Von David Foster Wallace und Jonathan Franzen über Dave Eggers und Michael Chabon bis hin zu Benjamin Kunkel sieht sie die jüngere Autorenriege vereint im Misstrauen gegenüber jeglicher Form von Triebhaftigkeit. Dafür können sie aber nichts: "Es sind gute Jungs, sensible Jungs, und wenn es ihrem Schreiben an Fleischlichkeit fehlt, wenn ihnen der Sinn für die Möglichkeit, die Dimension, die verwirrende, verwandelnde Wirkung physischer Liebe abgeht, dann liegt das an einem gewissen kulturellen Rückzug, einer tief sitzenden, fast puritanischen Missbilligung ihrer literarischen Vorfahren und deren Jugendsünden." Im Gegensatz zu ihren zögerlichen, zwiespältigen und überironischen Erben sei die Einstellung der alten Garde zum Sex geradezu romantisch: "Er hat Mysterium und Kraft. Er sorgt dafür, dass etwas geschieht." Vielleicht ist das der Grund, weshalb sich nicht nur der amerikanische Autorennachwuchs, sondern auch eine immer größere Leserschaft von Roth und Co. so bedroht fühlt.
FELICITAS VON LOVENBERG
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