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A multi-layered novel that probes the mysteries of the heart and mind, The Sorrows of an American is breathtaking in its range, richly thought-provoking and profoundly affecting - a novel that resonates long beyond the last page.

Produktbeschreibung
A multi-layered novel that probes the mysteries of the heart and mind, The Sorrows of an American is breathtaking in its range, richly thought-provoking and profoundly affecting - a novel that resonates long beyond the last page.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.04.2008

Die Aura des Verlusts

Ob der Ehemann Paul Auster ihr dabei wohl über die Schulter geschaut hat? Siri Hustvedt lässt einen Analytiker eine Geschichte von Vatermord und anderen Geheimnissen erzählen.

Siri Hustvedt ist eine Meisterin magischer Anfänge. In ihrem ersten Roman "Die unsichtbare Frau" (1993) soll Iris, eine Literaturstudentin, Gegenstände einer Toten beschreiben: einen Handschuh, ein mit Make-up verschmiertes Wattebällchen und einen Spiegel. Flüsternd, um ihre Stimme anonym klingen zu lassen, spricht sie im Auftrag eines sie dafür entlohnenden Mannes ihre Beobachtungen penibel auf ein Band. Doch Mr. Morning ist nicht zufrieden. Iris vergaß zu erwähnen, wie der Handschuh riecht. Was den Mann zu seiner Sammelleidenschaft treibt, bleibt ungeklärt. Als Schatten aber geistert er Iris noch lange nach dem letzten Treffen in seiner düsteren New Yorker Wohnung durch den Kopf. Nichts verschwindet wirklich. Spricht man aber darüber, wird alles nur verworrener. Hustvedt balancierte zwischen Rätseln, die man lösen kann, und Geheimnissen, die es zu bewahren gilt. Das englische Wörtchen "yonder" hat sie einst in einem Essay besungen - "zwischen hier und dort" heißt es ungefähr übersetzt.

Nun aber, nach zwei weiteren Romanen, zuletzt dem zum Bestseller avancierten "Was ich liebte", zerrt diese Bewohnerin der Zwischenräume Geheimnisse mit einer Wucht ans Licht, als gelte es, dem großen Trauma Amerikas, dem Amerika nach 9/11 und dem nach zwei Kriegen, eine Stimme zu geben, die alles erklärt. Der Titel "Die Leiden eines Amerikaners" macht das Private zum allgemeinen Belang. Das Private sind Briefe des Vaters der Autorin. Lloyd Hustvedt, der 2003 starb, schildert darin Kriegserlebnisse. Teile seiner Erinnerungen sind wörtlich in den Roman eingegangen. Für den allgemeinen Aspekt setzt Siri Hustvedt das Land und seine Menschen diesmal dem gnadenlos in traumatischen Wunden wühlenden Blick der Psychologie aus.

Ich-Erzähler Erik ist Analytiker. Spuckt ihn eine Klientin an, wischt er sich reglos mit einem Kleenex den Speichel vom Gesicht und sagt still zu sich: "Sie war doch von Anfang an ein vergessenes Kind." Nach schwierigen Telefongesprächen hat er Schuldgefühle. Davon erleichtern sich profunde Seelenspezialisten wie Erik, mit dem Phänomen der Übertragung bestens vertraut, durch die Frage: "Fühle ich meine Schuld oder die eines anderen?". Wechselt seine Schwester Inga das Thema, schiebt er ein: "Ich nenne das eine eloquente Abwehr." Kurz: Erik übertrifft noch den typischsten Analytiker und ist einer, der für alles Namen und Begriffe hat.

Dass diese Dauer-Souveränität bisweilen auf die Nerven geht, könnte man als kalkulierten Effekt honorieren - genial, wenn sich der Leser auch dagegen sperrt. Schließlich geht es in diesem Buch vor allem um Abwehr und darum, wie man sie am besten brechen kann. Romane wie die von Irvin D. Yalom ("Die Schopenhauer-Kur") wuchern mit diesem Pfund der Erkenntnis. Eriks kontrollierender Blick auf Geheimnisse hat aber noch einen anderen Effekt: Er verspricht ein Nicht-Nachlassen von Aufmerksamkeit, eine ständige Verunsicherung, ein Nicht-Zufriedengeben mit naheliegenden Lösungen.

Mehr denn je braucht Siri Hustvedt jetzt die ordnende und wieder zerstörende Kraft eines bohrenden, psychologischen Blicks, um ihre Fäden zusammenzuhalten. Mit Themen geizt sie dabei nicht. Als wäre Amerika in den Menschen und deren schmerzhaften Eindrücken komprimiert, stapelt sie Geschichten und Bilder übereinander, vom Krieg, vom 11. September, vom Irak, von schwarzer und weißer Identität. Erik ist ein Umschlagsplatz von Zeitgeschichte, die ihn nach der Entdeckung der eigenen väterlichen Aufzeichnungen bis in Träume hinein umzutreiben und kaum sichtbar zu verändern beginnt: Er entdeckt den Brief einer Kindheitsfreundin, die den Vater an einen alten Schweigeschwur gemahnt. Galt es, ein Verbrechen zu decken? Das Rätsel bildet die Hauptspur des Romans, doch ist nicht dessen Auflösung das Spannende; es sind die Nebengeschichten, die das Rätselraten entfesselt. Erik, der all das so scheinbar sicher erzählt, gerät dabei unmerklich ins Schleudern. Und gerade das ausdauernde Festhalten an seiner Souveränität, seine fast redundante, keinesfalls radikale Wesensänderung befördert beim Lesen schließlich aber keine Aggression, sondern einen unglaublichen Sog.

Zeitgleich brechen die Menschen um Erik an inneren Konflikten und der Impertinenz anderer zusammen. Seine Schwester Inga, Frau des vor kurzem verstorbenen berühmten Autors Max, wird von einer Journalistin erpresst. Diese will die Öffentlichkeit mit einer unrühmlichen Affäre von Max unterhalten, aus der auch ein Kind hervorgegangen sein soll. Miranda, Eriks unnahbare, von ihm heimlich verehrte Untermieterin, die nachts bestialische Frauen zeichnet (Hustvedt liebt solche Hell-dunkel-Figuren), wird regelmäßig vom Vater ihrer fünfjährigen Tochter Eggy heimgesucht. Dieser unberechenbare Lane wiederum, der sich Künstler nennt, scheut nicht davor zurück, in Wohnungen einzubrechen, um fassungslose Menschen für seine Ausstellung zum Thema "multiple Persönlichkeit" zu fotografieren. Auch Erik erwischt er auf diese Weise im seltenen Augenblick eines Kontrollverlusts - sein wutentstelltes Gesicht (er hatte Lane gegen den Spiegel geschubst) hängt Wochen später in einer öffentlichen Galerie. "Väter" tituliert Lane diese Foto-serie. Um Väter dreht sich überhaupt der ganze Roman, als ginge es im Leben vor allem darum, Autoritäten zu minimieren oder wenigstens zu verarbeiten.

Wie Siri Hustvedt dieses lebenslängliche Aufbegehren unaufdringlich in einem komplexen, federleicht erzählten Roman aufgehen lässt, ist eine Kunst, die ihr nur deshalb so gut gelingt, weil sie auf erprobte Techniken vertraut: unheimliche Fährten, die bis ins Körperliche hinein spürbar sind, etwa wenn Erik die ersten Fotografien von Miranda und ihrer Tochter auf der Treppe entdeckt - mit ausgestochenen Augen; morbide Gelüste wie die jener zwei alten Frauen, die, statt viel zu sprechen, verstörende Puppen bauen, von Gram gezeichnete, betörend realistische Menschlein, deren Glieder und Haut versehrt sind; oder die Beschreibung von Ingas Absencen, die sie schon als Kind engelhaft erscheinen ließen. Solche Passagen sind wie Zugänge zu jener dunklen Spur, welche die Romane von Siri Hustvedt so eigen, so anziehend machen. Andere Szenen wirken hingegen platt, weil die Autorin zu deutlich ausstellt, dass sie ihren Freud oder Winnicott gut kennt.

Man ahnt, dass diese Prosa nicht zuletzt Lebensabwerfungen der Autorin sind, auch ein Reflex auf ihre eigene, in Norwegen wurzelnde Familiengeschichte. Ehefrau eines Autors (Paul Auster) ist sie ja selbst - wie ihre Figur Inga, die der Rolle nicht nur Positives abgewinnt. Die berührenden Berichte des Vaters einzubauen, die im Roman Eriks Vater Lars Davidsen zugeschoben sind, zeugt von Mut und erwirkt eine Intimität, die erst durch den fiktionalen Überbau Gestalt erhält. Schonungslos konfrontiert sie nun das große Personal ihres Romans mit den alten Dämonen der Vergangenheit. Eriks Vater etwa rammte im Schlaf die Faust durch die Zimmerdecke. Wie ein drohendes Leitmotiv kehrt dieses Bild ständig wieder, als wäre das einkreisende Erzählen selbst schon die zu leistende Arbeit am Trauma. Ganz zu Anfang heißt es einmal von Lars Davidsen, dieser habe alles, sogar Werkzeuge katalogisiert und sich mit einem Ablagesystem Arno Schmidtschen Ausmaßes umgeben, darunter Listen "von Dingen, die es nicht mehr gab" (das Wort "zwanghaft" fehlt hier glücklicherweise).

"Die Leiden eines Amerikaners" ist ein wenig wie dieser Zettelkasten, gut beschriftet, mit viel drin, manchmal penibel überkommentiert, aber auch mit wohltuenden Lücken durchsetzt. Er umspielt jene etwas pathetische "Aura des Verlusts", die Erik einmal spätnachts angesichts einer riesigen Pepsi-Cola-Werbung vor der New Yorker Skyline entdeckt. Man liest eben eine Prosa, die ihre Energie den Toten verdankt - als müssten erst die Väter sterben, damit die Kinder ihr Lebenstempo drosseln und endlich zu denken anfangen. "Mein Leben hatte sich plötzlich verlangsamt", sagt Erik, nachdem der Vater beerdigt ist. Siri Hustvedt dehnt die Zeit danach zum Dauergespräch aus, das insgesamt fesselt.

ANJA HIRSCH

Siri Hustvedt: "Die Leiden eines Amerikaners". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Uli Aumüller und Gertraude Krueger. Rowohlt Verlag, Reinbek 2008. 410 S., geb., 19,90 [Euro].

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