Die Transformationserfahrungen der Menschen in Ostdeutschland sind vielfältig und individuell geprägt. Verlust-, Entwertungs- und Ohnmachtserfahrungen waren allerdings so weit verbreitet, dass sie als gemeinsame Erfahrungen angesehen werden können. Zudem haben sich Vertrauensverlust und Existenzängste über das Familiengedächtnis mitunter auch auf die nächste Generation übertragen. Somit wird die ostdeutsche Transformationserfahrung auch in Zukunft die deutsche Vereinigungsgesellschaft prägen.Der Sammelband beleuchtet mehr als drei Jahrzehnte nach der deutschen Einheit die lebensweltlichen Auswirkungen der Umgestaltung von Gesellschaft und Kultur in Ostdeutschland. Bisherige politikgeschichtliche und sozialwissenschaftliche Untersuchungen zur Transformationszeit werden darin um eine erfahrungsgeschichtliche Perspektive erweitert. Ausgehend von der gesellschaftlichen Bedeutung, welche die Transformationserfahrungen bis heute haben, blicken die Beiträge auf soziokulturelle Brüche ebenso wie auf deren Deutungen und Repräsentationen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dieser von Jörg Ganzenmüller herausgegebene Band stellt laut Rezensent Hermann Wentker einen wichtigen Beitrag zu einer noch zu wenig geführten Debatte dar. Denn während die Folgen der Wiedervereinigung oft analysiert worden sind, wurden die Erfahrungen, die die Ostdeutschen in diesem Prozess machten, bislang, findet Wentker, zu wenig thematisiert. Drei unterschiedliche Aspekte kommen laut Rezensent in diesem Buch zur Sprache, zunächst die Verlusterfahrung unter anderem durch den Wegzug großer Teile der Bevölkerung, dann die Erfahrung der Entwertung, weil DDR-Lebensläufe plötzlich nicht mehr zählten, schließlich die Ohnmachtserfahrung, die darauf verweist, dass das System der BRD auf das der DDR übertragen wurde. Thematisiert werden zum Beispiel die Rolle Halle-Neustadts und Widerstand gegen Arbeitsplatzabbau, oder auch der Heimatbegriff. Nicht alle Beiträge sind gleich ergiebig, findet der Kritiker, insgesamt nimmt er aber von der Lektüre mit, dass die Idee einer wohligen, geborgenen DDR oft nur eine nachträgliche Konstruktion war, wobei die negativen Seiten des damaligen Lebens verdrängt werden. Gerne mehr Forschungsarbeiten zum Thema würde der Rezensent in der Zukunft lesen, aber ein Anfang ist nun gemacht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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