Andrzej Stasiuks Zyklus von zwölf aufeinander bezogenen Geschichten beginnt mit drei wunderbaren Skizzen aus der Kindheit. Es sind kleine Prozessionen, nicht sehr feierlich, aber voll andächtigen Staunens: ein Gang in die Kirche, in die Bibliothek, in den Religionsunterricht. Erste Erkundungen des Magischen und Erotischen, in einer unberührten, von Geheimnissen erfüllten Sphäre, in der die Verlockungen, nicht die Katastrophen der Liebe schon zu ahnen sind. Die Erzählungen dieses 1996 erstmals erschienenen Buches lesen sich wie Kapitel eines Entwicklungsromans, und die von Schatten gefleckte…mehr
Andrzej Stasiuks Zyklus von zwölf aufeinander bezogenen Geschichten beginnt mit drei wunderbaren Skizzen aus der Kindheit. Es sind kleine Prozessionen, nicht sehr feierlich, aber voll andächtigen Staunens: ein Gang in die Kirche, in die Bibliothek, in den Religionsunterricht. Erste Erkundungen des Magischen und Erotischen, in einer unberührten, von Geheimnissen erfüllten Sphäre, in der die Verlockungen, nicht die Katastrophen der Liebe schon zu ahnen sind. Die Erzählungen dieses 1996 erstmals erschienenen Buches lesen sich wie Kapitel eines Entwicklungsromans, und die von Schatten gefleckte Straße aus der Schulzeit führt direkt in die Landschaften der achtziger und neunziger Jahre. Dort geschieht nicht viel. Nur daß ein paar junge Leute unentwegt auf der Grenze zwischen Leben und Tod balancieren. Stasiuks poetische Meßinstrumente zeichnen den Grad ihrer Verlassenheit und die Intensität ihres Begehrens auf. Die Kraft der Bilder, der verwegene Schritt Richtung Transzendenz verwandelt den traurigen Traum dieser Jugend in große Literatur.
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Autorenporträt
Stasiuk, AndrzejAndrzej Stasiuk, der in Polen als wichtigster jüngerer Gegenwartsautor gilt, wurde 1960 in Warschau geboren, debütierte 1992 mit dem Erzählband Mury Hebronu (Die Mauer von Hebron), in dem er über seine Gewalterfahrung im Gefängnis schreibt. Stasiuk wurde 1980 zur Armee eingezogen, desertierte nach neun Monaten und verbüßte seine Strafe in Militär- und Zivilgefängnissen. 1986 zog er nach Czarne, ein Bergdorf in den Beskiden.1994 erschienen Wiersze milosne i nie (Nicht nur Liebesgedichte), 1995 Opowiesci Galicyjskie (Galizische Erzählungen) und Bialy Kruk (Der weiße Rabe; 1998 bei Rowohlt Berlin), 1996 der Erzählband Przez rzeke (Über den Fluss; diesem Band ist Die Reise entnommen) und 1997 Dukla.2002 erhält er den von den Partnerstädten Thorn (Polen) und Göttingen gemeinsam gestifteten Samuel-Bogumil-Linde-Literaturpreis. Den literarischen Jahrespreis Nike erhielt Andrzej Stasiuk 2005 für sein Buch Unterwegs nach Babadag. Sein vielfach ausgezeichnetes Werk erscheint
in 30 Ländern. 2016 wurde er mit dem Staatspreis für europäische Literatur 2016 ausgezeichnet.
Rezensionen
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
In seinem frühen Erzählband beschreibe der Autor Kindheit im Sozialismus und Jugend im Postsozialismus Polens. Rezensent Andreas Breitenstein preist in den Kindheitserzählungen Szenen von "berückender Grazie", wenn der Autor mit den "großen Augen des Knaben" von magischen Orten wie Kirche und Bibliothek erzähle. Schon die Geschlechtertrennung lasse erahnen, was in den schönen Beinen der Bibliothekarin konkretere Form annehme und den Knaben zu "intellektuell verwegenen Lektüren" animiere. Gar nicht begeistert zeigt sich der Rezensent jedoch von den "Etüden", die vom "Versacken jugendlichen Aufbruchs" erzählen. Der Autor setze den "Exzessen" und dem "Brutalismus" der jugendlichen Welt, so der Rezensent, leider keine eigenständige Sprache "entgegen". Der notorische Jugendsound verderbe gewissermaßen die "Melodie" von Stasiuks Prosa. Und es habe sogar den Anschein, vermutet Breitenstein, als ob der Autor "die Krassheit der Szenen" sogar genieße. Andreas Breitenstein genießt sie eingestandenermaßen nicht.