Wie erscheint Hitler und dessen Mythos in der deutschsprachigen Literatur nach 1945? Marcel Atze nimmt sich erstmals dieser Frage an.Der Titel, ein Goebbels-Zitat, provoziert. Doch er führt ins Zentrum einer Untersuchung mit der Fragestellung, wie der von der NS-Propaganda ins Werk gesetzte Hitler-Mythos in der deutschsprachigen Literatur nach 1945 rezipiert wird. Marcel Atze konnte ein umfangreiches Textcorpus recherchieren, in dem Hitler als Figur auftritt. Vor dem Hintergrund eines präzisen Bauplans des Mythos erläutert er, welche Strategien die Autoren entwickeln, um das mythische Konstrukt, das noch lange nach Kriegsende Hitlers Anteil an den Verbrechen heruntergespielt hat, zu destruieren: Jeder Teil des Mythos wird mit den Leichenbergen des Holocaust überblendet.Atze dokumentiert den literarischen Diskurs um Hitlers Selbstmythisierung aus »Mein Kampf«, um dann zu belegen, wie zentrale Mytheme (Tierfreund, Vegetarier, Künstler, Vater) zerstört werden. Beim Blick der Autorenauf den privaten Hitler ist das Asexualitätsmythem zentral. Die Analyse des Redner-Mythems stellt die literarische Sicht auf den live erlebten und via Stimme medial vermittelten Hitler dar. Schließlich zeigt Atze, daß Hitlers Name und Gesicht heute Markenzeichen des Holocaust sind, und führt vor, daß das Bild des Mythosträgers im kollektiven Gedächtnis die literarische Darstellung prägt und das Schreiben über Hitler ein bedeutender Teil der deutschen Erinnerung an den Holocaust ist.Zu den über 100 behandelten Texten zählen: Erich Kästner: »Die Schule der Diktatoren«, Heiner Müller: »Germania Tod in Berlin«, Peter-Paul Zahl: »Johann Georg Elser«, Otto Basil: »Wenn das der Führer wüßte«, Günter Grass: »Hundejahre«, Peter Weiss: »Die Ästhetik des Widerstands«, Marcel Beyer: »Flughunde«, Josef Haslinger: »Opernball«, Burkhard Spinnen: »Die Zeitmaschine«, Klaus Stiller: »H. Protokoll«, Robert Schneider: »Traum und Trauer des jungen H.«, Dieter Forte: »Das Labyrinth der Träume oder Wieman den Kopf vom Körper trennt«.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Nicht ganz uninteressant, aber lückenhaft und leider bar jeder hisotirscher und poetologoscher Differenzierung findet Magnus Klaue diese Studie über deutschsprachige literarische Darstellungen Hitlers seit 1945. Bereits Atzes Grundannahme widerspricht er: Denn wer die vielen Hitlerfiguren in der jüngeren Literatur nur unter dem Paradigma der Mythen-Destruktion wahrnehme, der könne die entscheidenden Fragen gar nicht erst stellen. So wäre es Klaue zufolge viel fruchtbarer gewesen, die Darstellungen daraufhin zu untersuchen, wie sie zu den "ästhetischen Aporien" stehen, die sich jedem Repräsentationsversuch des Holocaust in den Weg stellen. Freilich müsste man dazu auch die skeptischen Arbeiten von Exilautoren vor 1945 betrachten, worauf Atze Klaue zufolge gleich ganz verzichtet. So könne er nicht erkennen, dass das beklemmend ungezwungene Auftreten von Hitlerfiguren nicht so sehr mit der Unterwanderung des Führer-Mythos, sondern vielmehr mit "vehementer Verdrängung des Vergangenen" zu tun habe. Das entsprechende Fazit des Rezensenten: "Marcel Atze ist der brave Chronist solcher Verdrängungen - ihr Analytiker ist er nicht."
© Perlentaucher Medien GmbH
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