Das Lyrikdebüt von Marit Heuß ist der Wahrnehmung der Wirklichkeit verschrieben: von den Wissower Klinken bis zur Küste Portugals. Den Blick begleiten dabei Lektüren und Kunsterlebnisse, aber auch historische Gedächtnisspuren, die der Landschaft eingeschrieben sind. Ein italienischer Palazzo, ein in die Jahre gekommener "lieblicher Ort" mit vergitterten Wegen und unheimlichen Echsen, verleiht dem Gedichtband den Titel: Verschlissenes Idyll. So vielfältig wie die Szenerien sind die formalen Spielarten des Bands, in dem sich "Langgedichte und kürzere Formen zu einer Art Vexierbild verschränken", so Jan Kuhlbrodt im Nachwort. Im vielstrophigen Gedicht Palacio invísível, das sich wie eine lange Wanderung entlang des portugiesischen Meeresufers liest, wird ein lyrischer Redestrom eröffnet, bei dem die Elemente selbst den Text mitschreiben - wenn der "Wind die Seiten" wendet und das Gedicht so auf traumsichere Weise "verlängert". Der poetische Drive der Gedichte nährt sich von einem nicht ruhen wollenden Auge, so auch in kürzeren Gedichten wie Anrede, das fast als Bitte erscheint: "oder leih mir, Holunder, zwei deiner Blüten als Augen, / wo Augen nicht mehr hinsehen, dass sie sehen " - und dass das Sehen, das Erkenntnis sucht, zu keinem Ende kommt. Ein ausdrucksstarkes, klug orchestriertes Debüt!
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