Erzählen ist eine Kunst, die allen Menschen geschenkt ist. Erzählen fängt für Hermann Bausinger schon beim gemeinsamen Warten auf den Bus an: Dem Schimpfen darauf, dass er schon wieder zu spät kommt und den sich daraus ergebenden Geschichten von Bus-Erlebnissen aller Art. Wie gut, dass der bekannte Kulturwissenschaftler selbst ein begnadeter Erzähler ist. Denn in seinem Buch geht es höchst lebendig und anschaulich um die vielfältigen Spielarten des Erzählens. Er nimmt uns u. a. mit in die reiche Erzählwelt von Märchen und Fabeln, umkreist den Witz der Sprache, beschäftigt sich mit Erzähltheorie und der besonderen Bedeutung des Erzählens im Online-Zeitalter. Vielschichtig und mit wunderbaren Beispielen angefüllt, lässt Bausinger das Erzählen und die Erzählungen leuchten. Denn für ihn ist das Erzählen, unser Umgang mit der Sprache, das, was uns zum Menschen macht.
"Bausinger war ein Universalgelehrter und Vordenker" Josef-Otto Freudenreich Kontext: Wochenzeitung 20220104
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensent Helmut Böttiger lernt mit dem letzten Buch des Volkskundlers Hermann Bausinger, wie wenig harmlos das Erzählen ist. Der große Kenner deutscher Mentalitäten stellt Böttiger Erzählweisen des Alltags vor, erkundet Erzählmuster und -traditionen und denkt über Wesen und Unwesen der Sprache nach. Dass und wie mit Sprache getäuscht und verführt wird, daran erinnert Bausinger den Rezensenten anhand von anschaulichen Beispielen, die der Autor detailliert analysiert. Wenn Bausinger sich vergleichend das "Rotkäppchen" in der französischen und in der deutschen Fassung vornimmt, geht es um Moral und deutsche Pädagogik und Demagogie, so Böttiger, den die Überlegungen des Autors immer wieder verblüffen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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