Die Moderne hat dem Glück ein Wechselbad bereitet. Einerseits gab es Großprojekte zur Schaffung des »Neuen Menschen«, die das Glück in Dauerstellung bringen sollte, aber meist in eine Katastrophe führten. Andererseits meinte man den Individuen einen Gefallen zu tun, indem man es ihnen überließ, ihr Glück zu machen und zu bestimmen - ein Unternehmen mit unerwarteten und teilweise unerfreulichen Nebenwirkungen. So spielt das Glück eine zentrale Rolle und doch seltsam ungreifbare Rolle. Es wird mit dem Fortschritt der Moderne insgesamt gekoppelt, zugleich aber individualisiert und privatisiert. In seinem neuen Buch wendet sich Dieter Thomä gegen Patentrezepte und Freibriefe gleichermaßen und setzt statt dessen auf die kritische Funktion des Glücks, das den Weg zu einer Revision des Verständnisses der Moderne und des Begriffs der Subjektivität weisen kann. Diese Funktion kommt dem Glück deshalb zu, weil es sich der Festlegung und dem selbstbestimmten Zugriff entzieht, auf die dieModerne erpicht ist. Die Spuren des Glücks in der Theorie der Moderne sind weit verzweigt, und so führen die Studien in diesem Band zum Utilitarismus, zur empirischen Glücksforschung und zur Biopolitik ebenso wie zu Friedrich Nietzsche, Max Weber, Ludwig Wittgenstein, Walter Benjamin, Theodor W. Adorno und Hans Blumenberg.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
"Fast auf den Tag genau lässt sich datieren, wann es mit dem Glück philosophisch zu Ende ging." Und es ist Kant, der es auf dem Gewissen hat, meint erheitert der Rezensent Manfred Geier. In dieser Aufsatzsammlung, so Geier, möchte der Philosophieprofessor Dieter Thomä, allen Unglücksraben zum Trotz, besagtes Glück wiederauferstehen lassen, zumindest als ein der Philosophie würdiger Begriff. Zunächst widme sich Thomä den nur als Spuren vorhandenen "Glückvorstellungen" bei Benjamin, Wittgenstein, Adorno und Horkheimer (von dem auch das Motto der Textsammlung stammt: "Wer glücklich ist, bedarf nicht der Bosheit."). Daraufhin versuche er, "gegen die gebildeten Verächter des Glücks eine Verteidigungslinie aufzubauen", indem er erforsche, welche "Bilder des Glücks" in der Kontroverse um den "Neuen Menschen" durchschimmern. Dabei folge Thomä einer doppelten Zielsetzung: einerseits "philosophisch für Klarheit zu sorgen" und aber zugleich "die Komplexität des Problems zu wahren". Und nach Ansicht des Rezensenten ist ihm dies auch gelungen. Thomä liefere weder "Beschreibungen eines glücklichen Lebens" noch eine "begriffliche Analyse", sondern die Erkenntnis dessen, "was nicht mehr gesagt werden kann". Denn das Glück sei mit der Moderne "nomadisierend" geworden. Die paradoxe "Unverfügbarkeit" des Glücks, so Geier, bleibt auch bei Thomä bestehen. Wenn man sie jedoch annehme, könne man glücklich sein. Und somit bleibt wenigstens ein Funken Hoffnung, findet der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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