Als Joseph Paul Jernigan am 5. August 1993 hingerichtet wird - vor Sonnenaufgang, wie es das texanische Gesetz vorschreibt -, ahnt noch niemand, dass dies seine Wiedergeburt einläutet, die ewiges Leben bedeutet. Denn Jernigans Körper besitzt ideale Eigenschaften, um als erster Mensch digital rekonstruiert zu werden. Und so betritt der als Mörder Verurteilte 2002 als sein eigener Avatar den Cyberspace und wird damit zum ersten digitalen Untoten der Geschichte. Dies ist eine von sieben faszinierenden Erzählungen, in denen uns Philipp Schönthaler in eine Welt führt, die gerade im Entstehen begriffen ist. Auf seinen ersten Erzählband, der u. a. mit dem Clemens-Brentano-Preis ausgezeichnet wurde, folgt nun dieser groß angelegte Erzählzyklus, in dem er eine literarische Recherche nach den Ursprüngen unserer Gegenwart und Zukunft unternimmt. Jede der raffiniert gewebten Erzählungen ist Teil einer Archäologie des neuen Menschen, mit der Schönthaler die umwälzenden Veränderungen unserer Zeit und der ihr zugehörigen Digitalität zu verstehen versucht.
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© BÜCHERmagazin, Björn Hayer
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Begeistert bespricht Rezensent Oliver Pfohlmann Philipp Schönthalers neuen Erzählband "Vor Anbruch der Morgenröte". Die Erzählungen, die allesamt in der nahen Zukunft spielen, seien mal so unerbittlich wie Kleist, mal so klaustrophob wie Kafka und dabei doch immer sprachlich unbedingt ganz in der Gegenwart, so der Rezensent. Besonders gefallen haben Pfohlmann zwei Geschichten: die Titelgeschichte handelt von einem Mörder, der nach seiner Hinrichtung im Rahmen eines Medizinprojekts in "ganz dünne Querschnitte" zersägt wird, anschließend gescannt und am Rechner dreidimensional wieder zusammengesetzt wird - ein "digitaler Wiedergänger", fasst der Rezensent zusammen. Die beste Geschichte sei aber "Der Schweiß der Sonne", findet Pfohlmann, der hier erlebt wie eine über ihr Konsumglück bloggende Mutter durch eine fehlende Lieferung mit ihrer Familie in den Abgrund stürzt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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