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Mitten in der schwersten Krise des Kapitalismus bricht der katholische Marxist Terry Eagleton eine Lanze für Karl Marx. Streitbar, originell und mit britischem Humor widerlegt er zentrale Argumente gegen den Marxismus, wie z.B. "Wir leben doch längst in einer klassenlosen Gesellschaft", "Der Marxismus erfordert einen despotischen Staat" oder "Der Marxismus ignoriert die selbstsüchtige Natur des Menschen". Eagleton macht klar: Marx' materialistische Philosophie hat ihren Ursprung im Streben nach Freiheit, Bürgerrechten und Wohlstand. Sie zielt auf eine demokratische Ordnung und nicht auf deren Abschaffung…mehr

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Produktbeschreibung
Mitten in der schwersten Krise des Kapitalismus bricht der katholische Marxist Terry Eagleton eine Lanze für Karl Marx. Streitbar, originell und mit britischem Humor widerlegt er zentrale Argumente gegen den Marxismus, wie z.B. "Wir leben doch längst in einer klassenlosen Gesellschaft", "Der Marxismus erfordert einen despotischen Staat" oder "Der Marxismus ignoriert die selbstsüchtige Natur des Menschen". Eagleton macht klar: Marx' materialistische Philosophie hat ihren Ursprung im Streben nach Freiheit, Bürgerrechten und Wohlstand. Sie zielt auf eine demokratische Ordnung und nicht auf deren Abschaffung

Autorenporträt
Eagleton, Terry
Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy. Der international gefeierte Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker hat über 50 Bücher verfasst. Auf Deutsch liegen u.a. vor Der Sinn des Lebens (2008), Das Böse (2011), Warum Marx recht hat (2012) und Hoffnungsvoll, aber nicht optimistisch (2016).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2012

Marktkonform

Der Literaturwissenschaftler Terry Eagleton versucht sich in seinem Marx-Buch als eine Art Chesterton des Marxismus

Inmitten der Krise finden selbst manche Wall-Street-Banker Marx irgendwie gut. Mit welchem Mehrwert also darf man rechnen, wenn nun ein alter Fahrensmann des Meisters, der englische Literaturwissenschaftler Terry Eagleton, eine Rechtfertigungsschrift vorlegt: "Warum Marx recht hat"? Werden da offene Türen eingerannt? Überraschenderweise konzentriert sich Eagleton nicht auf die Ideen und Ansätze, die in der jetzigen Lage besonders einleuchten können, sondern systematisch auf die unpopulärsten Aspekte: In zehn Kapiteln antwortet er auf die häufigsten Einwände gegen Marx - vom Totalitarismusvorwurf über den Gewaltverdacht bis zur These, der Kommunismus sei doch nur das Negativ des Kapitalismus.

Das ist erst mal ehrlich und sympathisch. Aber dummerweise kommt am Ende, nachdem der Autor alle möglichen Missverständnisse und Falschmeldungen aus dem Weg geräumt hat, heraus, dass Marx mehr oder weniger so dachte, wie alle braven Liberalen denken, dass er an das Individuum und die Vielfalt glaubte, dem Gleichheitsbegriff ebenso wie dem Staat misstraute, dass er für die Demokratie war und im Übrigen einen Argwohn gegen abstrakte Lehren hegte. Der Marx dieser Apologie ist also gar nicht so schlimm, er ist allerdings auch etwas zahn- und zeitlos, um nicht zu sagen, langweilig.

Sehr stark macht Eagleton die soziale und historische Phantasie, mit deren Hilfe man aus der Zukunft auf die Gegenwart blicken und fragen kann: Wie war es möglich, die sozialen Kollateralschäden, welche die von westlichen Institutionen kontrollierten globalen Märkte bis heute fordern, jemals für naturgegeben und unvermeidbar zu halten? Er schärft also mit Marx den Blick auf den Kapitalismus als festumrissenes, geschichtlich gewordenes und auch wieder vergehendes Phänomen. Doch so anregend eine solche Vogelperspektive ist, sie sagt natürlich noch wenig über den spezifisch Marxschen Ansatz, die Erscheinung zu fassen, und noch weniger über die Frage, ob das Instrumentarium seiner Diagnose auch für die Therapie geeignet ist.

Eagleton beschäftigt sich mit dieser Frage im Grunde auch nicht. Er stellt Marx als Moralisten und Romantiker vor, geht aber auf die Details der ökonomischen Analyse nicht ein, so dass offenbleibt, was er zum Verständnis der aktuellen Entwicklungen beitragen könnte. Vor kurzem hat Eagletons Berliner Kollege Joseph Vogl mit seinem Buch "Das Gespenst des Kapitals" gezeigt, wie fruchtbar der Ansatz eines Literaturwissenschaftlers sein kann, der die ökonomischen Theorien als Text, als Erzählung liest und auf ihre innere Stimmigkeit und Rationalität hin prüft. Doch Eagleton geht es nicht um eine Analyse von Marx' Analysen, sondern bloß um die Verteidigung seiner Absichten. Hier gelingen dem Autor erhellende Umkehrungen geläufiger Ansichten, zumal der Annahme, dass Marx ein platter Reduktionist gewesen sei, der alles Leben für Ökonomie und Arbeit hielt: "Wenn er seine Aufmerksamkeit vor allem auf die Wirtschaft richtete, dann um ihre Macht über die Menschheit zu verringern." Doch indem das Buch die Intentionen und Ideale in den Vordergrund rückt, betrachtet es Marx weniger marxistisch, als diesem lieb gewesen wäre und als es der Untersuchung seiner historischen Funktion guttut.

In den letzten Jahren hat Terry Eagleton mit kleinen Bänden über die denkbar größten Themen (Sinn des Lebens, das Böse) einen eigenen Stil entwickelt, dem Schweren mit Leichtigkeit, Humor und zahlreichen Anspielungen auf die zeitgenössische Popkultur auf die Spur zu kommen. Gegen volltönende Aufgeblasenheit setzt er auf Common Sense, und die Flapsigkeiten gelten letztlich dem Nachweis, dass dieser eine nicht zu unterschätzende und oft zutiefst paradoxe Sache ist - eine Strategie, die er etwa mit Chesterton bei dessen unkonventionellen Verteidigungen des Katholizismus teilt. Eagleton tritt mit seinem neuen Buch als eine Art Chesterton des Marxismus auf. Aber leider decken die launigen Anspielungen und Anekdoten nicht immer den Umfang des Arguments ab und hinterlassen dann eher einen Nachgeschmack von Biederkeit und Banalisierung.

Das Verfahren stößt vor allem da auf seine Grenzen, wo Marx keineswegs so angelsächsisch pragmatisch und down to earth dachte wie sein Apologet, also etwa in seiner Geschichtsphilosophie. Den sowjetischen Terror erklärt Eagleton damit, dass das Land zu arm und zu isoliert war, um eine effektive sozialistische Umverteilung organisieren zu können, da "kommt es unter Umständen dazu, dass ein autoritärer Staat einschreitet und seine Bürger zu dem zwingt, was sie freiwillig nicht bereit sind zu tun". Und schon folgt die erdende Analogie: "Das ist so, als würden Sie zu einer Party eingeladen, auf der Sie aufgefordert würden, nicht nur den Kuchen zu backen und das Bier zu brauen, sondern auch noch die Fundamente auszuheben und die Dielenbretter zu verlegen. Es bliebe Ihnen nicht viel Zeit, sich zu amüsieren."

Die Plausibilität, die der absurde Witz dieser Vorstellung erzeugt, ist allerdings nur eine scheinbare. Der Spaß hörte ja nicht erst auf, als sich plötzlich Engpässe bei der Umverteilung herausstellten, sondern als Lenin der Marxschen Idee von der historischen Mission der Arbeiterklasse eine Operationalisierung in Gestalt einer Kaderpartei verschaffte, die die Realisierung der geschichtlichen Notwendigkeit notfalls erzwingt. Eagleton weist zu Recht darauf hin, dass Marx selber eine solche Partei neuen Typs nicht vorgesehen hat. Doch er geht nicht darauf ein, dass Lenin bloß eine Lücke füllte, die in Marx' System tatsächlich klafft: die Lücke zwischen gesetzmäßiger Zukunftserwartung (Kommunismus) und deren Verwirklichung durch den dafür vorgesehenen Träger, die Arbeiterklasse. Da Marx davon ausging, dass "die Gedanken der herrschenden Klasse" "in jeder Epoche die herrschenden Gedanken" sind, hätte er eigentlich nicht auf einen Umschwung einfach durch massenhaften Nachvollzug der von ihm selbst vorexerzierten Erkenntnisse hoffen können.

Etwas mulmig wird Eagleton das historische Schema nur, wenn Marx den Kapitalismus lobt, weil dieser die notwendige Voraussetzung für den Beginn der eigentlichen Geschichte abgibt. Doch er lässt die Chance aus, dieses Unbehagen zu aktualisieren und einen Blick auf China zu werfen. Der dortigen Kommunistischen Partei wird nachgesagt, ihre "sozialistische Marktwirtschaft mit chinesischen Merkmalen" habe mit Marx nicht viel zu tun. Doch in Wirklichkeit nimmt sie das Schema vielleicht nur ernster als andere. Belehrt auch durch die kargen ersten dreißig Jahre ihrer Regierungszeit, ist ihr klar, dass der Kapitalismus für den Vollzug der von Marx postulierten Notwendigkeit notwendig ist, schon um den dafür erforderlichen Wohlstand zu schaffen - und wenn das in China nicht die Kapitalisten hinbekommen, müssen es eben die Kommunisten in die Hand nehmen. Gleichzeitig übertrifft die Partei die älteren kapitalistischen Länder damit noch in der Hervorbringung genau jener Ungleichheit, jenes Mangels an Gemeinsinn und jenes Raubbaus an der Natur, die Marx kritisiert. Die chinesische Erfahrung demonstriert den Zwiespalt besonders radikal, der bei Marx zwischen moralischem Antrieb und dessen systembedingtem Aufschub angelegt ist.

Es ist nicht so, dass sich Eagleton um die Verbindung von Freiheit und Notwendigkeit gar nicht kümmern würde. Er hat da eine theologische Analogie parat. Marx sei nicht deterministischer als ein Christ, der den freien Willen des Einzelnen mit der alles wissenden Vorsehung Gottes unter einen Hut bringt. Doch das Entlarvende dieses Vergleichs diskutiert er nicht: Bei Marx geht es ja tatsächlich weniger um zeitliche Geschichte als um ein der Geschichte abgelauschtes Gesetz, das selber so zeitenthoben ist wie der christliche Gott. Anders als viele andere, die Marx für die Gegenwart fruchtbar machen wollen, verzichtet Eagleton darauf, solche Weltgeist-Schemen im Licht der sie gebärenden idealistischen Vorstellungswelten des neunzehnten Jahrhunderts einzuordnen und zu relativieren. Er begnügt sich damit, die berühmte Sentenz, alle bisherige Geschichte sei die Geschichte von Klassenkämpfen, mit der Bemerkung zu kommentieren: "Das kann Marx natürlich nicht ernst gemeint haben. Wenn die Tatsache, dass ich mir letzten Mittwoch die Zähne geputzt habe, ein Teil der Geschichte ist, so ist schwer einzusehen, wie sie mit dem Klassenkampf zusammenhängt."

Eagleton erläutert, dass schon Marx nicht gegen Markt schlechthin war und dass viele Marxisten heute darüber nachdenken, wie sich Märkte mit dem Sozialismus verbinden lassen. Genau da ist der Punkt, an dem es hätte interessant werden und die Rundum-Verteidigung eine aktuelle Wichtigkeit hätte bekommen können: Wie lassen sich Märkte so gestalten, dass sie nicht die Dysfunktionalitäten und Ungerechtigkeiten gegenwärtiger Kapitalismen aufweisen? Und könnte die Marxsche Analyse dazu etwas beitragen? Doch diese Debatte bricht Eagleton, kaum dass sie als Möglichkeit auftaucht, gleich schon wieder ab und verweist sie an die Ausschüsse: "Die Sozialisten werden zweifellos noch weiter über die Einzelheiten einer postkapitalistischen Wirtschaftsordnung streiten" - als ob es nicht auf eben diese Einzelheiten ankäme. "Die Frage, wer den Kapitalismus stürzt, ist in gewisser Weise überflüssig. Der Kapitalismus ist durchaus in der Lage, an seinen eigenen Widersprüchen zugrunde zu gehen", schreibt er.

In einem solchen Fall müsse eine "organisierte politische Kraft" bereitstehen, um die Schäden in Grenzen zu halten und ein alternatives Wirtschaftssystem zu errichten. Über den weiten Horizont, den eine solche Kraft besitzen mag, weiß man am Ende des Buchs Bescheid, über die Umrisse des neuen Systems leider nicht.

MARK SIEMONS

Terry Eagleton: "Warum Marx recht hat". Übersetzt von Hainer Kober. Ullstein-Verlag, 288 Seiten, 18 Euro

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Unter dem Titel "Warum Marx recht hat" hätte Rezensent Thomas Steinfeld eigentlich eine Auseinandersetzung mit dem neuesten Stand des Kapitalismus und seiner Krisen auf der Grundlage der Marx'schen Lehre erwartet. Stattdessen gehe es dem englischen Literaturkritiker Terry Eagleton allerdings um eine Rechtfertigung der ökonomischen Theorie des Kommunisten - mit der Begründung, deren Absichten seien friedvoller und gemeinnütziger als die des Kapitalismus. Und so liest der entsetzte Kritiker, der sich während der Lektüre längst von einer Auseinandersetzung mit marxistischen Argumenten verabschiedet hat und überzeugt ist, dass Eagleton das Marx'sche Oeuvre wohl kaum ganz gelesen hat, von einem harmlosen, rücksichtsvollen und "grenzenlos gutmütigen Revolutionär", der an "Liebe und Mitmenschlichkeit" glaube. Darüber hinaus versuche Eagleton mit allgemeinen Einwänden gegen den Marxismus aufzuräumen - dieser sei etwa überholt oder würdige den Menschen zum Instrument der Geschichte herab - vielmehr ziehe Eagleton das "Kommunistische Manifest" heran, um vor der bürgerlichen Gesellschaft als "ultimative Bedrohung des ökologischen Gleichgewichts" zu warnen. Dass Eagleton letztendlich auch noch behauptet, die Marxisten hätte nichts dagegen, wenn sich Richter, Rockstars oder Medienmagnaten wie Rupert Murdoch ihnen anschlössen, wenn sie nur etwas Reue zeigten, findet der Kritiker schlichtweg absurd.

© Perlentaucher Medien GmbH
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"Eagleton ist ein begnadeter Polemiker und Stilist.", Die ZEIT, Maximilian Probst, 15.03.2012