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Mircea Cartarescu umkreist in allen seinen Büchern eine so rätselhafte wie unverzichtbare Erfahrung: die "namenlose Ergriffenheit". Eine Ergriffenheit, wie Frauen sie auslösen, aber auch das Leid einer unerwiderten oder verlorenen Liebe; eine Ergriffenheit vom Leben überhaupt, das hin und wieder von den "verrückten Blitzen des großen und wahren Glücks durchzuckt wird".Da ist Irina, Literaturstudentin aus Brasov, die dem jungen Dichter Nabokov und D.H. Lawrence nahebrachte und sich von der Securitate anwerben ließ. Oder die Hermannstädter Rumänin in Paris, die mit einem Algerier zusammenlebt…mehr

Produktbeschreibung
Mircea Cartarescu umkreist in allen seinen Büchern eine so rätselhafte wie unverzichtbare Erfahrung: die "namenlose Ergriffenheit". Eine Ergriffenheit, wie Frauen sie auslösen, aber auch das Leid einer unerwiderten oder verlorenen Liebe; eine Ergriffenheit vom Leben überhaupt, das hin und wieder von den "verrückten Blitzen des großen und wahren Glücks durchzuckt wird".Da ist Irina, Literaturstudentin aus Brasov, die dem jungen Dichter Nabokov und D.H. Lawrence nahebrachte und sich von der Securitate anwerben ließ. Oder die Hermannstädter Rumänin in Paris, die mit einem Algerier zusammenlebt und ihn zu einer Nacht zu dritt verführen will. Mircea selbst ist ein hochsensitives, schönheitstrunkenes Subjekt, das mal als blasser, traumverlorener, offenbar recht unscheinbarer junger Mann im Bukarest der siebziger Jahre die Szene betritt, mal als langhaariger Jüngling in Lederjacke auf den Spuren Ferlinghettis und Kerouacs durch San Francisco läuft. Wir lieben die Frauen, so der größte Sprachkünstler der rumänischen Literatur, weil sie außergewöhnliche Leserinnen sind. Und wir lieben Cartarescu, weil er dem schönsten, zartesten und heftigsten Gefühl so einfach wie eindrückliche Geschichten gewidmet hat.
Autorenporträt
Mircea Cartarescu, 1956 in Bukarest geboren, veröffentlicht seit 1978 Lyrik und Prosa. 1997 erschien Nostalgia, 2007 der erste Teil seiner Orbitor-Trilogie unter dem Titel Die Wissenden. Sein Werk wurde in viele Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.2008

Wer sein Weib liebt, der liebt sich selbst

Gipfel aller Evolution: Der rumänische Autor Mircea Cartarescu erklärt in schönen Geschichten, warum wir die Frauen lieben - und wird dafür von den Frauen geliebt.

Dieses Buch ist ein gewaltiger Erfolg - jedenfalls in Rumänien. Dort, auf einem kleinen Buchmarkt, hat es mit sagenhaften 150 000 verkauften Exemplaren sogar für ein Jahr den Esoterikpanscher Paulo Coelho von der Spitze der Bestsellerliste verdrängt. Dabei ist Mircea Cartarescu durchaus kein willfähriger Lieferant leichtgängigen Lesefutters. Vielmehr ist er ein Schriftsteller, der - mit Kafka gesagt - unbeirrt die ungeheure Welt, die er im Kopf hat, dem geduldigen Papier anvertraut und die Leser zu herausfordernden Geisterbahnfahrten einlädt. Sein Hauptwerk "Orbitor", von dem vor einigen Monaten der erste Band unter dem Titel "Die Wissenden" in deutscher Übersetzung erschien, ist eine literarische Kathedrale des Manierismus - ein Buch für Leser, die sich von einem Roman Aufschwünge in ungeahnte, unerhörte Dimensionen versprechen. Bukarest wird in diesem kosmogonischen Familienroman zur Welthauptstadt der Phantastik.

Im dritten Band von "Orbitor" geht es um nicht weniger als die Apokalypse. Zwischendurch aber backt Cartarescu auch schon mal kleinere, lebensfreundlichere Brötchen. Schließlich besteht die Leserschaft von Belletristik zum größten Teil aus Leserinnen. Und die wollen mehrheitlich wohl lieber von Liebe als vom Weltuntergang lesen. So hat Cartarescu, als prominentester Autor seines Landes, den Auftrag der rumänischen "Elle" angenommen und einen Reigen von Liebesgeschichten verfasst. Mit "Warum wir die Frauen lieben" hat er das im Titel umschmeichelte Geschlecht im Handstreich erobert.

Man irrt jedoch, wenn man renommistische Schwerenöterprosa erwartet. Im Gegenteil - "wir" sind eher ein bisschen schüchtern, wie schon die altmodisch chevalereske Ansprache an die "geneigten Leserinnen" zu Beginn beweist. Meist verbirgt sich hinter den Erzählern der neunzehn Erzählungen ein "Ich" namens Mircea, dessen tendenziell unerfülltes Verlangen auch mit dem falschen Kraftsport zu tun haben könnte. "Jedes Gedicht war ein Expander" - heißt es über den lesesüchtigen jungen Poeten, wilden Träumer und Graphomanen. Mit seiner konstitutionellen Wirklichkeitsschwäche ist er für viele der Angebeteten ganz einfach Luft.

Damit ist er natürlich bestens geeignet für literarischen Minnedienst. Es seien gerade nicht die notorischen Frauenverschleißer unter den Schriftstellern, die sich der poetischen Frauenforschung verschreiben, heißt es an einer Stelle. Die suchen nämlich keine Geheimnisse und Nuancen; vielmehr erkenne man sie daran, dass die weiblichen Figuren in ihren Büchern als "eine Sorte Automaten mit langen und blonden Haaren, großen Brüsten und runden Hintern" aufträten - Objekte der raschen Befriedigung. Die großen Erotiker der Literatur waren dagegen keine sexuellen Routiniers, sondern oft Entbehrende oder Hingehaltene. Männer, die ihre defizitäre Erfahrung in der Phantasie überhöhten und mythisierten. Zum Schwärmer wird der Erzähler darüber aber nicht. Cartarescus Liebesgeschichten überzeugen auch durch ihre Liebe zum Detail.

Sie haben das - manchmal schale - Aroma der Wirklichkeit, schildern beglückende und beschämende Erlebnisse mit Mädchen und Frauen, die ihrerseits nicht belletristisch geliftet sind, sondern anrührend real wirken. Wie Irina mit den schmalen Lippen und der krummen Nase, deren Kleidung immer wirkt wie mit der Heugabel übergeworfen. Aber dafür kennt sie sich mit amerikanischem Postmodernismus aus. Reichlich spät raubt sie Mircea die sexuelle Unschuld - an einem Nachmittag, der dazu bestimmt ist, eine peinigende Erinnerung zu werden. Nicht nur, weil sich im Liebesnest penetranter Essensdunst breitmacht und durch die "Papierwände" des Wohnblocks in der "Straße der Vaterlandsverteidiger" stimmungstötende Geräusche von Klospülungen und Fernsehern dringen. Gleich nach dem überhasteten Liebesakt eröffnet ihm Irina auch noch, dass sie in die Securitate eintreten werde. So war das mit der Liebe in Rumänien, jedenfalls in der herausragenden Erzählung "Nabokov in Brasov".

Glück ist bekanntlich eine schlechte Voraussetzung für Literatur. Auch Cartarescus Geschichten erzählen davon, wie Liebende oder Liebenwollende sich immer wieder gegenseitig verfehlen - schon deshalb, weil der Mensch sich selbst nicht treu bleiben kann. Was wir "Persönlichkeit" nennen, sei eine einzige "Kette von Selbstverrat", heißt es einmal. "Die zarten Worte sind verflogen / Wir haben uns beide betrogen", lauten die Verse eines nasalierenden Schlagers in der Geschichte "Zazara", die einmal wirklich von einer großen Liebe handelt. Sie spielt im Bukarest des Zweiten Weltkriegs, berichtet aber eher von den Sängerkriegen des Nachtlebens. Christian Vasile, ein musikalischer Dickbauch im Smoking, erfreut mit seiner sirupsüßen Hymne "Zazara" die Club-Gesellschaft der Neureichen und Kollaborateure. Dann aber wird ihm die Muse ermordet. Er kommt nicht darüber hinweg und verschlingt Abend für Abend einen Teelöffel ihrer Asche.

Der Reigen der Schönen und der Unscheinbaren reicht von der kränklich-verletzlichen Rodica, die Mircea eine Beschämung fürs Leben verschafft, über das leider unbekannte Mädchen in der U-Bahn, dessen Attraktivität eigentlich waffenscheinpflichtig wäre, bis hin zur "Goldbombe", deren perfekter Körper das Endprodukt von Jahrmillionen der Evolution zu sein scheint und einen ganzen Nacktbadestrand in erotischen Ausnahmezustand versetzt. Wir bekommen es mit zaghaften Mädchen und nymphomanischen Dichterinnen zu tun, mit einer kultivierten Exhibitionistin und einer Zwergin in Turin, die Mircea einen unerklärlichen metaphysischen Schrecken einjagt. In der Story "Irish Cream" hat bei einem whiskeyseligen Dichtertreffen gar ein irisches Burggespenst seinen Auftritt - eine "fucking countess", die sich zur Gruselstunde ziemlich lebendig und mit gepiercter Zunge in Mirceas Bett zu schaffen macht. Gräfin oder Groupie - das ist hier die Frage.

Mit diesem heiter-melancholischen Buch erweitert der Autor seine erzählerische Palette um ungewohnte Farbtöne. Es wirkt so unangestrengt dahingeplaudert, dass man es leicht unterschätzt. Die Übersetzung Ernest Wichners geht in Ordnung; die Klasse von Gerhardt Csejkas Übertragung von "Die Wissenden" erreicht sie allerdings nicht. Dass Mitschüler zum Beispiel ständig als "Kollegen" bezeichnet werden, ist im Deutschen keine glückliche Lösung. Warum wir die Frauen lieben? Bekannte Vorzüge werden aufgelistet. Aber auch tiefsinnige Gründe angeführt: "Weil sie das Leben ernst nehmen, weil sie tatsächlich an die Wirklichkeit zu glauben scheinen." An die Wirklichkeit, die Cartarescu sonst in seinen Büchern nach allen Regeln der Kunst auseinandernimmt. Hier aber gestattet er sich allenfalls Passagen, die wie Phantastik "light" wirken, wenn er etwa gewisse Verwirrungen des Déjà-vu thematisiert oder nebenbei das Grundmotiv seines Schreibens anschlägt: die "Nostalgie", jenes Verschwimmen der Wirklichkeit ins Traumhafte. "Draußen schneite es wie verrückt . . . Es war dunkel geworden. Die Flocken schienen nun rosa zu sein, und wenn man lange hinschaute, hatte man den Eindruck, die ganze Klasse würde emporgehoben und in den Himmel schweben." Dieses magische Gefühl des Schwebens stellt sich auch bei der Lektüre der Bücher dieses Autors ein.

WOLFGANG SCHNEIDER

Mircea Cartarescu: "Warum wir die Frauen lieben". Geschichten. Aus dem Rumänischen übersetzt von Ernest Wichner. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 176 S., geb., 17,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Verena Auffermann ist vom großspurigen "Wir" im Titel dieses Erzählbandes, dessen Geschichten allesamt von scheiternden Liebesdingen handeln, zunächst ein bisschen abgeschreckt. Schnell stellt sich heraus, dass es in Wahrheit natürlich nicht um die Frauen geht, die durchgehend eine wenig glückliche Rolle in den Geschichten spielten, als vielmehr um ein Schriftsteller-Ich, das seine Überlegungen zu "Träumen, Depressionen" oder "Obsessionen" loswerden will, vermutet die Rezensentin, die dann doch vom Charme, der abschweifenden Reflexionslust und der leisen Traurigkeit dieses Bandes ganz angetan ist, wie sie durchblicken lässt. Denn mit seinen zwischen Melancholie und "burlesker Poesie" changierenden Erzählungen zielt der rumänische Autor auf das "traurige Lachen", und damit erinnert er Auffermann an die Filme von Eric Rohmer.

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