Zu Lebzeiten war Carlos eine tragischschillernde Figur und hat als Drag Queen die Lissabonner Nachtclubszene beherrscht. Zu seinem furiosen, vielgestaltigen neuen Roman ließ sich Lobo Antunes von einer realen Figur inspirieren. Er geht den Selbstzweifeln und Verirrungen eines Mannes nach, mischt dessen Geschichte mit den Stimmen seiner Freunde, seines Sohnes in einem farbenprächtigen Kaleidoskop, das stets neue Bilder eines maßlosen Lebens erstehen lässt.
Das Schicksal des berühmtesten Transvestiten Portugals - ein schillernder Roman um den Zusammenhang zwischen Geschlecht und Identität.
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"Hut ab! Das ist Weltliteratur." Die Zeit
Fugendicht: Der neue Roman von António Lobo Antunes
Manchmal ist es gut, wenn wenigstens der Klappentext Orientierung bietet. Demnach geht es im neuen Roman des portugiesischen Marathonschreibers und Permanentpublizierers António Lobo Antunes um das Schicksal des berühmtesten Transvestiten Portugals, der als Drag Queen die Lissabonner Nachtclubszene beherrschte, dann aber eines frühen Todes starb, ebenso wie sein drogensüchtiger Freund. Sein Sohn Paulo, auch drogenabhängig, rekapituliert das Leben seiner Eltern, während er eine Entziehungskur absolviert. War Carlos, die Drag Queen, wirklich sein Vater? Wer ist er selbst? Und wo ist er überhaupt?
Schlauer als der Klappentext wird man auch dann nicht, wenn man sich durch den siebenhundert Seiten schweren Roman hindurchkämpft. Lobo Antunes geht es nicht darum, eine Geschichte zu erzählen. Es geht ihm auch nicht darum, verständlich zu sein. Er will ein in Auflösung begriffenes Bewußtsein aus sich selbst heraus zur Sprache bringen. Also werden Zusammenhänge unkenntlich gemacht, das Denken in Traumgebilde aufgelöst, die Sprache pulverisiert. Formal hat das zur Folge, daß Dialoge aufeinanderfolgen, bei denen man nur vermuten kann, wer spricht. Daß Satzfetzen aneinandergereiht werden, ohne jemals zu einem Punkt zu finden. Hilflos verebben sie im Ungefähren. Daß es zwar eine Kapiteleinteilung gibt, aber keine Numerierung als Ordnungsprinzip. Es folgt Kapitel auf Kapitel auf Kapitel, und das könnte wohl ewig so weitergehen und ebensogut auch in umgekehrter Reihenfolge gelesen werden. Die Sache wird dadurch noch komplizierter, daß die Erzählperspektiven wechseln. Es ist nicht immer Paulo, in dessen Bewußtsein geangelt wird, aber bis man das erahnt, ist auch schon der Wortstrom des nächsten Kapitels vorbeigerauscht. War da was?
Lesen wird zu einem Puzzlespiel. Wer daran Freude hat, könnte mit diesem Roman gut bedient sein. Satz für Satz will gedreht und gewendet und schließlich in die richtige Position gestöpselt werden - nur: Ein Bild ergibt sich trotzdem nicht. Das delirierende Bewußtsein bleibt ein delirierendes Bewußtsein. Die Fülle der Erinnerungsfetzen und der rasenden Bilder ergibt in der Summe: nichts. "Das neue Meisterwerk von Lobo Antunes", warnt der Klappentext, "schickt den Leser auf eine faszinierende Reise in die gedankenschwere, derbe und meist fugendicht verschlossene Welt unter der Schädeldecke." Das ist leider wahr, und Lobo Antunes ist der Fugendichter. Sein Roman ist hermetisch vor jedem Verständnis abgeschottet. Wahrscheinlich versäumt man nichts, wenn man ihn nicht liest. Aber wer weiß das schon.
JÖRG MAGENAU
António Lobo Antunes: "Was werd ich tun, wenn alles brennt?" Roman. Aus dem Portugiesischen übersetzt von Maralde Meyer-Minnemann. Luchterhand Verlag, München 2003. 702 S., geb., 25,- [Euro].
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