In der europäischen Geschichte waren Maß und Maße, Ethik und Technik, Moral und Wissen zwei Seiten ein und derselben Medaille. Es galt, sich nicht bloß hier oder da, sondern generell an das Maß zu halten - an das, was sachlich und sittlich geboten ist. Ralf Konersmann erzählt nun die große Ideengeschichte des Maßes: wie dieses Verhältnis wechselseitiger Bestätigung von Maß und Maßen einmal gedacht war, unter welchen Umständen es zerbrach und die Maßlosigkeit um sich griff. Konersmann rückt den heute allgegenwärtigen Vormarsch des Messens, Zählens und Rechnens in eine genealogische Perspektive, durch die wir unsere Gegenwart besser begreifen.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Claudio Steiger empfiehlt das Buch des Philosophen Ralf Konersmann. Dass im gerade allgegenwärtigen Begriff "Maßnahme" das "Maß nehmen" steckt, erfährt er bei Konsermann ebenso wie der Autor ihm von der Spaltung von Zahlenmaß und Maß der Dinge berichtet. Dass Konersmann dabei wild durch die Zeiten springt, von Sokrates und Platon zu Francis Bacon, Pascal, Hegel und Hannah Arendt, vom philosophischen Diskurs zur Bildanalyse von Bruegels "Mäßigkeit" strengt Steiger an, belohnt ihn aber auch mit "lustvoll" errungener Erkenntnis. Ein Ungleichgewicht von Konersmanns Kulturkritik zwischen Antike und digitaler Zeit (zugunsten letzterer) stellt Steiger fest, eine lässliche Maßlosigkeit, findet er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Man liest die sanfte Kulturkritik mit Gewinn. Claudio Steiger Neue Zürcher Zeitung 20220110
Rezensentin Christina Lenz sieht die Gefahr eines Kulturpessimismus zwischen den Zeilen von Ralf Konersmanns Geschichte des Maßhaltens. Der Gang des Philosophen durch die abendländische Philosophie, von Platon über den metaphysischen Glauben bis zu den neuzeitlichen Wissenschaften und in die liberale Moderne scheint Lenz zwar durchaus erkenntnisreich und kurzweilig, weil der Autor jede Menge Bezüge zur Literatur und Kunst herstellt, dahinter aber vernimmt die Rezensentin ein Unbehagen an der Gegenwart, das sie lieber ins Progressive gewendet sähe. Wenn der Mensch den Verlust der Verbindlichkeiten und des Maßes überwinden soll, muss er etwas tun, findet sie.
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